Lessons Learned – ein Beitrag zur PM Blogparade

Durch | 5. Mai 2009

Andreas Heilwagen hat eine Projekt-Management Blogparade zum Thema „Lessons Learned“ ausgerufen. Diesem Ruf folge ich gerne, weil ich „Lessons Learned“ als wichtige (Projekt)-Management-Philosophie ansehe. Ein kritischer Blick zurück, Erfahrungen festhalten um Fehler nicht zu wiederholen oder aber auch um Gutes noch zu verbessern – das hilft langfristig wirklich weiter. Als ich begann diesen Artikel zu schreiben habe ich viele Projekte aus meinem Erfahrungsschatz Revue passieren lassen – gute und weniger gute. Gemeinsamkeiten fielen mir natürlich sofort auf, ich könnte da locker ein Buch drüber schreiben. Ich werde mich heute aber bewusst auf einige wenige Lessons beschränken. Es sind ausnahmslos „Lessons“ bei denen ich einen gewissen Lernprozess durchgemacht habe, meine Einstellung sich revidiert hat oder deren Bedeutung mir erst im Laufe der Jahre bewusst wurde.

Meine „Lessons“ sind die folgenden:

  • Misstraue großen Projektorganigrammen!
  • Das ultimative PM-Werkzeug gibt es nicht.
  • Druck und Angst sind die Sargnägel eines Projektes.
  • Projekt Kultur ist wichtig(er).

Misstraue großen Projektorganigrammen!

Der Projektleiter berichtet an den Lenkungsausschuss. Der Lenkungsausschuss ist Teil des Projektkommitees und wird vom Projektsteuerungsausschuss beraten. Alle Gremien berichten an das Projekt-Management-Steuerungsboard, dieses gleicht mir den Berichten aus dem Projekt-Controlling-Panel ab und berichtet an die Geschäftsführung, die wiederum dem Aufsichtsrat berichtet. Der für Projekte zuständige Aufsichtsrat sitzt wiederum im Steuerungsboard um die Anforderungen der zentralen Unternehmensentwicklung in Personalunion abzugleichen. Wehe dem Projektleiter, der in diesem bermudianischem Vieleck ein Projekt leid(t)en muss.

Ausufernde Projektorganigramme mit einer Vielzahl von Kontroll- und Steuerungsgremien sind oft Ausdruck einer Verunsicherung bzw. spiegeln das große Risiko und das vorhandene Bedürfnis zur Absicherung wider. Solche Kontrollstrukturen können zur Quelle überbordender und unklarer Anforderungen oder als Nährboden für Auseinandersetzungen dienen. Auseinandersetzungen, die nicht originär mit dem Projekt zusammen hängen aber dennoch in diesem ausgetragen werden können. Das Projekt kann gewissermaßen zum Schauplatz dieser Auseinandersetzungen werden. Die Einsetzung und Existenz dieser Gremien liegt oft außerhalb der Verantwortung des Projektleiters. Allerdings lassen sich diese Schnittstellen der Gremien zum Projekt durchaus beeinflussen. Mit der Gestaltung des Informationsflusses lassen sich Schnittstellen in Organisationen gestalten. Der Informationsfluss und damit auch die Schnittstellen sollten so klar und schlank wie möglich gestaltet werden. Standardisierte, klar strukturierte und regelmäßige Informationen können hier sehr viel helfen. Dies kann z.B. ein wöchentliches Projektjournal ggf. mit verschiedenen Zusammenfassungen für unterschiedliche Gremien sein. Dies trägt wesentlich dazu bei, dass die Informationshoheit bei der Projektleitung liegt und der Projektleiter nicht zum Spielball der Auseinandersetzungen zwischen den Gremien wird.

Das ultimative PM-Werkzeug gibt es nicht.

Die Ãœberschrift ist die Essenz aus vielen Experimenten mit jeglichen Formen von Projektmanagement Wekzeugen – das gilt für Software und Nicht-Software ;-). Ich habe viele Kombination von Werkzeugen erlebt und konnte für keines eine besondere Korrelation mit dem Projekterfolg feststellen. Jedes Werkzeug, das ich kenne, wird in erfolgreichen und nicht erfolgreichen Projekten eingesetzt. Die Schlussfolgerung, die ich aus vielen Projekten gezogen habe lautet, jedes Projekt braucht sein eigenes Werkzeug mit dem gearbeitet werden kann und mit dem die Beteiligten arbeiten wollen. Ein Beispiel aus einem Softwareentwicklungsprojekt: Das schönste Bugtracking System nutzt nichts, wenn der Auftraggeber regelmäßig (s)eine Excel-Liste mit allen offenen Bugs haben möchte. Jetzt kommt es darauf an ob das Tool einen Excel Export in eine Vorlage unterstützt – wenn nicht steht Doppelpflege oder der Verzicht auf das Tool ins Haus. Für die Wahl von Projektmanagement Werkzeugen habe ich mir folgenden Satz hinter die Ohren geschrieben: „Nimm das Tool, das die wichtigen Menschen im Projekt nutzen können und wollen.“ Ein bestimmtes Werkzeug – und sei es noch so gut – zu „erzwingen“ verursacht nur unnötigen Stress. Und noch ein Merksatz mit schmunzelndem und leicht resigniertem Unterton: „Die ganz persönlichen Vorlieben des Projektleiters müssen in der Werkzeug-Frage oft zurück stehen“.

Druck und Angst sind die Sargnägel eines Projektes.

Menschen unter Druck arbeiten nicht schneller, sie machen lediglich mehr Fehler und vermeiden Risiken. Beides ist für Projektarbeit sehr hinderlich. Jeder Fehler muss irgendwann korrigiert werden und verbraucht dann noch mehr der knappen Zeit. Problemlösung und die Suche nach neuen Lösungen funktioniert nur mit Kreativität, die untrennbar mit einem gewissen Risikobereitschaft verbunden ist. Wenn niemand sich traut Risiken einzugehen sieht es düster aus. In vielen Projekten kommt dieser Zeitpunkt an dem die verbleibende Zeit aussichtslos knapp erscheint. Und wenn die Ãœberstunden noch so naheliegend erscheinen sind andere Strategien besser:

  • Abhängigkeiten überprüfen und Aufgaben neu priorisieren
  • Aufgaben ggf. umverteilen
  • Mit dem Auftraggeber verhandeln

Mit dem Druck kommt auch die Angst: Angst der Mitarbeiter vor Fehlern, Angst die Verantwortung für Terminüberschreitungen aufgedrückt zu bekommen. Ein Klima der Angst verhindert auch ein wirksames Risikomanagement. Wenn die Angst und das Misstrauen Einzug gehalten haben, werden potentielle Risiken gerne verschwiegen, schließlich will keiner der Buh-Mann sein, wenn das Risiko zur Wahrheit wird. Die Angst kommt meistens auf leisen Sohlen kündigt sich aber mit folgenden Anzeichen an:

  • Kollegen werden schweigsamer.
  • Es wird zunehmend über die Aufgaben anderer und nicht über die eigenen gesprochen.

Dem möglichen Klima der Angst sollte so gut wie möglich präventiv begegnet werden. Ein sehr wichtiger Baustein dieser Prävention ist ein stabiles Wohl-Gefühl der Zugehörigkeit zum Projekt. Mit anderen Worten – und damit komme ich zum letzten Punkt – im Projekt sollte eine „echte“ Projektkultur vorhanden sein.

Projektkultur ist wichtig!

Wichtiger, noch wichtiger, am wichtigsten … um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen möchte ich den Begriff der Kultur genauer fassen. Unter einer Projektkultur verstehe ich einen Konsens aus den individuellen Kulturbeiträgen der Projektmitarbeiter sowie der firmen- bzw. abteilungsspezifischen Subkulturen. Ich spreche also von der konkreten Subkultur jedes einzelnen konkreten Projekts und nicht von einer ggf. in der Organisation definierten Projektvorgehensweise, die häufig auch als Projektkultur bezeichnet wird. Ãœber Projektsubkulturen habe ich in den Beiträgen „Außerirdische in Projektteams“ schon ausführlich geschrieben. Wenn in einer Projektgruppe eine eigene Kultur entsteht, entsteht auch ein Gefühl für Heimat, eine Identifikation mit dem Projekt. Nichts besseres kann einem Projekt passieren, dass die Mitarbeiter sich mit dem Projekt identifizieren. Es ist eigentlich leicht zu sehen, wenn eine Gruppenkultur entsteht, man muss nur die Augen offen halten um nicht versehentlich das wachsende Kulturpflänzchen im Keim zu ersticken. Es lohnt sich nach den folgenden oder ähnlichen Dingen Ausschau zu halten:

  • Es werden Witze erzählt.
  • Alle können mitlachen, wenn Witze erzählt werden.
  • Nach einer Weile gibt es Insider Witze, die Außenstehende nicht verstehen.
  • Es ensteht eine gemeinsame Arbeits- und Pausenorganisation z.B. ein gemeinsames Whiteboard mit Zetteln oder eine gemeinsame Keks-Schublade.
  • Es gibt Rituale oder Symbole z.B. Begrüßungsformen. Projektlogo, Türschilder.

Jedes noch so kleines Anzeichen einer wachsenden Kultur sollte gepflegt werden. Und wenn die ersten Witze noch so lahm sind, ist es dennoch wichtig den Raum und die Zeit dafür zu geben. Diese Zeit ist gut investiert. Eine Gruppe, die eine eigene Kultur entwickelt ist auf dem besten Weg zum Team und ein funktionierendes Teams ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für Projekte.

Zum Schluss möchte ich die oben genannten „Lessons“ noch ein mal mit anderen Worten in Form von kurzen ToDo-Anweisungen zusammenfassen:

  • Mache die Schnittstellen zu Gremien so klar wie möglich. Ãœbernehme die Informationshoheit.
  • Nimm das PM-Werkzeug, das halbwegs funktioniert und den geringsten Stress verursacht.
  • Achte auf die Zeichen der Angst.
  • Pflege das Projekt-Kulturpflänzchen. Gib ihm eine Chance. Achte auf das Lachen.

Und zu guter Letzt möchte ich einen ehemaligen Projektleitungskollegen zitieren – er war für ein größeres Gesamtprojekt verantwortlich, ich für das technische Teilprojekt. Auf die Frage wie er den technischen Projektfortschritt immer richtig einschätzen konnte, antwortete er: „Ich habe nur gelauscht ob ihr lacht“ – Projekte machen Spaß!.

4 Gedanken an “Lessons Learned – ein Beitrag zur PM Blogparade

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  2. Dr. Eberhard Huber Beitragsautor

    @Barbara Gölz … zuerst einmal willkommen hier. Ja das zwischen den Ohren ist wirklich das wichtigste Werkzeug – manchmal beschleichen mich aber Zweifel ob es wirklich bei allen updatefähig ist 😉

  3. Barbara Gölz

    Das wichtigste Projekttool sitzt zwischen den Ohren. Das gute daran: es ist jederzeit updatefähig.

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