Wie funktioniert das mit dem Advocatus diaboli

Durch | 18. September 2009

In machen Diskussionen ist es förderlich, wenn einer der Beteiligten in die Rolle des Advocatus diaboli schlüpft: Stockende Diskussionen kommen wieder in Gang, Entscheidungen fallen, die Entscheidungen der Gruppe werden besser. Nicht umsonst wird das Prinzip des „Advocatus diaboli“ gelegentlich auch als Moderationstechnik verwendet. Bevor ich zu erklären versuche warum dieses Prinzip überhaupt funkioniert möchte ich einen lohnenden Blick auf den Ursprung des Begriffes werfen. Der „Advocatus diaboli“ stammt aus der katholischen Kirche. Der (wörtlich übersetzte) Anwalt des Teufels hatte die Aufgabe im Verfahren einer Heiligsprechung Gegenargumente vorzulegen warum der Kandidat nicht heilig zu sprechen sei. Der Advocatus diaboli nahm also bewusst eine Gegenposition ein. Die Auseinandersetzung mit seinen Argumenten sollte die Qualität der finalen Entscheidung verbessern.

Soweit die historische Theorie – warum funktioniert das Prinzip des Advocatus diaboli auch dann, wenn es beispielsweise um eine technische Entscheidung in einem Software-Entwicklungsteam geht. Im Prinzip kann es es in jeder anderen Gruppe, die vor einer Entscheidung steht, funktionieren.

In jeder Entscheidungssituation stehen gedanklich mehrere Lösungsansätze im Raum. Ich schreibe bewusst gedanklich – selbst bei einer methodisch gut vorbereiteten Diskussion mit vielen Kärtchen an der Wand wird manche Idee erst im Laufe der Diskussion in den Köpfen der Beteiligten entstehen. Da die Kunst des Gedankenlesens noch nicht sehr weit verbreitet ist, bleiben diese Ideen verborgen bis sie ausgesprochen werden. Das klingt trivial ist es aber nicht. Es gibt eine mehrere Hindernisse, die dafür sorgen, dass eine Idee in einer Gruppe nicht geäußert wird. Jede „abweichende“ Idee erzeugt im ersten Moment eine Abwehrhaltung. Selbst hervorragend gute und praktikable Ideen erzeugen im ersten Moment Widerstand. Dieses Widerstandsgefühl schlägt auf den Ideen-Aussprecher zurück und verunsichert ihn oder sie ein wenig. Das passiert IMMER – es ist gewissermaßen so sicher wie das Amen in der Kirche. In einem sehr gut eingespielten Team wird dieses Widerstandsgefühl sehr schnell überwunden, die Idee findet entsprechend schnell Eingang in die Diskussion. Wenn aber ein Hauch von Unsicherheit im Raum schwebt, kann dieser Widerstand hartnäckig sein, entsprechend wird die Idee leicht zerredet und verschwindet wieder – was bleibt ist Frustration. Diese potentielle Frustration „nicht gehört zu werden“ ist eines der Hindernisse, die verhindern dass Ideen nicht einmal ausgesprochen werden. Die Angst vor dem Widerstandsgefühl und die resultierende Verunsicherung ist das andere.

Jetzt kommt der Advocatus diaboli ins Spiel. Er nimmt bewusst eine Gegenposition ein und äußert eine provozierend abweichende Idee. Der Widerstand, der sich im ersten Moment regt, wird damit beim Advocatus diaboli abgeladen, jemand anderes der bisher gezögert hatte seine nicht ganz so radikale Idee zu äußern hat den Rücken frei und rückt seine Idee raus – damit kommt die Diskussion mit neuen Aspekten besser in Schwung. Ggf. muss der Advocatus im weiteren Verlauf noch mehrmals eingreifen und Ideen ins Rennen werfen. Er nimmt schrittweise die Unsicherheit aus dem Spiel in dem er signalisiert, dass Querdenken erlaubt ist – dies kommt dann letztendlich der Qualität der Lösung zu gute.

Das hört sich ganz einfach an. Es gibt aber dennoch zwei Punkte auf die zu achten ist. Es kann nicht jeder den Advocatus diaboli spielen. Der Effekt, dass die Unsicherheit abgebaut wird, tritt nur ein, wenn der Advocatus selbst eine relativ sichere Rolle im Team hat und von anderen weitgehend akzeptiert ist. Wenn der unerfahrene Neuling eine teuflische Idee äußert, erntet er vielleicht Gelächter, vielleicht werden die Augen verdreht aber niemand wird dadurch ermuntert selbst eine gewagte Idee zu äußern. Der zweite Punkt auf den zu achten ist, ist die Dosierung. Wenn dieses Prinzip zu häufig angewandt wird, nutzt es sich schnell ab und verliert seine Wirkung. Der „Advocatus diaboli“ wird dann zum „Advocatus diabolicus“ d.h. dem teuflischen Anwalt, der scheinbar immer dagegen ist und letztendlich der Diskussion und der Gruppe mehr schadet als nützt.

Dieser Text ist unter Creative Commons BY NC ND (Namensnennung – Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung) lizenziert. Er ist Teil des Buchprojekts „Menschen im Projekt“.

2 Gedanken an “Wie funktioniert das mit dem Advocatus diaboli

  1. Dr. Eberhard Huber Beitragsautor

    Hallo Tina,

    zuerst mal willkommen hier. Es ist in der Tat wünschenswert jede Moderation so transparent wie möglich zu gestalten. Eine Erklärung hilft jedoch selten weiter, die Gruppe steckt zu sehr im Prozess um den Schritt auf die Metaebene in der Situation nachzuvollziehen – in einer nachgelarten Auswertung (Retrospektive) funktioniert das dann besser. Dann lässt sich geweissermaßen für die nächste Runde lernen. Ich persönlich kündige eine „advocatis diaboli“ Äußerung oft explizit an, die Wirkung bleibt weitgehend erhalten, dennoch wird an Transparenz gewonnen. Interessanterweise ist auch im historischen Vorbild bekannt wer der Advocatus diaboli ist.

    viele Grüße Eberarad

  2. tina b.

    wissen denn die teammitglieder, dass es den ad gibt? oder ist das eine strategie des leiters (geheim, geheim)? was spricht dagegen, den teammitgliedern die tatsache mit dem widerstanddingens zu erklären und um offenheit zu bitten? warum funktioniert das nicht? es käme mir persönlich respektvoller vor …

    ??? lg

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