Projektleitung in weniger als 1000 Worten

Durch | 13. Juli 2010

Der folgende Artikel hat nur 996 Worte und will dennoch das Thema Projektleitung und Projektmanagement auf den Punkt bringen (zur Begriffsverwendung Projektleitung). Ist das angesichts der kilometerlangen Regale mit PM Literatur und den im Widerstreit liegenden Projekt-Religionen ein aussichtsloses Unterfangen? Schaun mr mal.

„Sie kümmern sich jetzt um Projekt X“. Mit diesen Worten beginnen viele Leidensgeschichten. Die erste Diagnosefrage, die sich die/der Projektleiter(in) (PL) in spe stellen sollte lautet: „Ist X wirklich ein Projekt?“ bzw. konkreter erfüllt „X“ die folgenden Kriterien: Es gibt mindestens

  • ein in Worten beschreibbares Ziel oder Arbeitsergebnis,
    das in dieser Form noch nicht existiert,
  • eine klare Begründung warum das Projekt gemacht wird,
  • einen Termin an dem mit den Arbeiten begonnen wird,
  • einen Termin an dem das Arbeitsergebnis vorliegen soll,
  • mindestens eine weitere Personen, die zum Arbeitsergebnis beiträgt,
  • sowie mindestens eine weitere Person, an die das Arbeitsergebnis geliefert wird.

Wenn sich diese Punkte nicht klar beantworten lassen hat der / die Projektleiter In (PL) schon halb verloren. Dann bahnt sich vielleicht kein Projekt sondern eine Aufgaben-Zeit-Verschiebungsaktion oder eine halbherzige Umorganisation an. Lassen sich die grundlegenden Rollen (z.B. Empfänger des Ergebnisses) wirklich identifizieren und konkrete Ergebnisse formulieren? Bei neuen Aufgabenbereichen, die auf bestehende drauf gepackt werden, ist das oft nicht möglich auch wenn sie gerne Projekte genannt werden, das ist aber ein anderes Thema.

Gehen wir besser davon aus, dass das Ergebnis formuliert und verstanden ist. Dann steht die nächste Frage im Raum: „Wer macht mit?“ Zur Erinnerung: Ein-Personen-Veranstaltungen sollten nicht Projekte genannt und mit Management überfrachtet werden. Im positiven Falle sind Mitarbeiter benannt, denen verfügbare Arbeitszeit eingeräumt wird im Projekt zu arbeiten und die zumindest in Ansätzen die notwendigen Qualifikationen mitbringen. Als ersten Schritt gilt es die Mitarbeiter(Innen) zu versammeln und sie über das Projekt ins Bild zu setzen. Als zweiten Schritt sollten sich alle Beteiligten zu einer Auftaktveranstaltung versammeln. In gutem Neudeutsch wird dies oft „Kickoff“ genannt. Dieser Begriff aus dem „American Football“ trifft es allerdings nicht ganz, er führt sogar ein wenig in die Irre. Bei der Auftaktveranstaltung müssen alle Beteiligten dabei sein. Dazu gehören Leitung, Auftraggeber, Team usw. Die entsprechende sportliche Metapher wäre das Treffen vor dem Spiel, bei dem der Vereinspräsident (Fußball Bundesliga) oder der Clubbesitzer (Basketball NBA) noch mal kurz vorbeischauen. Wenn der Ball zum ersten Mal gespielt wird ist das Team auf sich gestellt, der Auftraggeber sitzt dann schon auf der Tribüne. Ob der Projektleiter wie ein Trainer am Spielfeldrand oder als Spielertrainer bzw. Mannschaftskapitän agiert hängt dabei eher von Projektgröße und persönlichem Leitungsverständnis ab. Leider wird in vielen Projekten schon auf einen solchen Auftakt verzichtet. Für den/die PL der Auftakt eine erste Nagelprobe. Wenn jetzt schon Vorbehalte bzgl. der Verfügbarkeit von Mitarbeitern kommen, wie soll es dann werden wenn im Projekt wirklich gearbeitet werden soll.

Gehen wir weiter davon aus, dass der Auftakt stattgefunden hat. Damit sollten die folgenden Checklistenpunkte guten Gewissens mit „Ja“ beantwortet werden können – falls nein „Gehe zurück zum Start“:

  • Ist klar, warum was an wen geliefert werden soll und ist es allen bekannt?
  • Sind die Projektziele (Anforderungen) zweifelsfrei definiert, klar und allen bekannt?
  • Sind Termine definiert und allen bekannt?

Das Projekt beginnt und alles geht seinen Gang. Die Anforderungen werden in Arbeitspaketen in Aufgaben umgesetzt (wie auch immer) und abgearbeitet. Jetzt gibt es nur noch das eine oder andere Risiko das im Weg steht. Hier hilft eine einfache Liste, die wöchentlich bearbeitet und ggf. aktualisiert wird. Risiken haben noch mehr als Projektziele die Eigenschaft sich laufend zu verändern. Für die Aktualisierung der Liste helfen die folgenden Punkte:

  • Sind die (aktuell am) größten Risiken bekannt?
  • Hat jeder im Team das aus seiner Sicht größte Risiko benannt?
  • Welche Risiken sind in der letzten Woche hinzugekommen?
  • Welche Risiken wurden bisher entschärft?

Wenn alle diese Punkte mit gutem Gewissen beantwortet und abgehakt werden können ist das Projekt auf einem guten Weg. Aufgabe des / der PL ist es dafür zu sorgen, dass alle (!) Häkchen erhalten bleiben auch wenn sich im Laufe des Projektes die Rahmenbedingungen, Anforderungen oder was auch immer ändern. Wenn ein Projekt in Schieflage gerät ist meistens eines der Häkchen klammheimlich verschwunden. Der kritische Blick welches der Häkchen genau verschwunden ist hilft bei der Einleitung wirkungsvoller Maßnahmen.

Nochmal zurück zum Sport. Von der Tribüne lässt sich das Spiel gut verfolgen. Im Projektgeschäft läuft das ein wenig anders, hier ist der/die PL gefragt. Der Blick von der Tribüne wird durch das Berichtswesen im Projekt ersetzt. Ein pragmatisches Berichtswesen habe ich hier schon beschrieben – Das Schweizer Taschenmesser des Projektberichtwesens – (zugegeben das sind nochmal ein paar Worte zusätzlich). Die Projektberichte müssen immer auch die Risiken enthalten. Wenn Risiken verschwiegen werden (egal in welche Richtung) ist die destruktive Saat des schon Misstrauens gelegt.

Das ist eigentlich schon alles. Damit gelingt sicher nicht jedes Projekt automatisch und es gibt noch manche Details zu beachten wenn diese Punkte nicht erfüllt sind kann man sich alles andere sparen. Und „Hand auf Herz“ in manchen Projekten, in denen gigantischer Management-Aufwand verbraten wird, lassen sich diese einfachen Punkte nicht einmal beantworten. Kann z.B. irgendjemand im Milliarden Projekt „Gesundheitskarte“, mit wenigen Worten das Ziel beschreiben. Das ist letztendlich genauso fatal wie das Miniprojekt einer kleinen Firma „Ich will eine neue Software, weiß aber nicht wozu“.

EPILOG: Ich habe bis jetzt kein Wort über konkrete PM Vorgehensweisen, Frameworks, Methoden, Vorgehensmodelle oder sonst etwas geschrieben. Es ist auch unerheblich ob es in dem gewählten Ansatz den Begriff des PL überhaupt gibt. Das hat einen guten Grund: „Es ist aus meiner Sicht weitgehend egal“. Nahezu jeder Ansatz, der verantwortungsbewusst eingesetzt wird, liefert positive Antworten auf obige Fragen. Es ist egal ob ein Scrum-Master die im „daily scrum“ aufgetauchten „impediments“ beseitigt oder ein klassisches Risikomanagement im Rahmen eines PMP gemacht wird. Das Ergebnis ist dasselbe. Ein Scrum-Master, der die „impediments“ nicht beseitigt ist gleich schädlich wie ein Placebo-Risikomanagement, das die Rückmeldungen der Mitarbeiter nicht aufnimmt. Was letztendlich zählt und zum Erfolg führt ist das Vertrauen in die Menschen. Alle Methoden sind nur Hilfsmittel, die den Menschen helfen sollen.

Dieser Text ist unter Creative Commons BY NC ND (Namensnennung – Nicht Kommerziell – Keine Bearbeitung) lizenziert. Er ist Teil des Buchprojekts „Menschen im Projekt“. Er gehört zum Abschnitt 3, siehe Mindmap zu Inhalt und Struktur.

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