Projekt-Vermehrung

Durch | 26. November 2015

Ergänzend zu der Geschichte über das Projektwachstum habe ich eine weitere Anekdote hervorgekramt, diesmal geht es nicht nur um Wachstum sondern um die wunderbare Projektvermehrung.

Es war einmal

Ein Projekt X mit großem politischen Überbau – und es war ein junger Projektleiter mit viel Begeisterung und (zu)viel Respekt vor großen Tieren. Eines Tages kam der Chef des Projektleiters ins Büro und rief aufgeregt: „Ich brauche morgen einen Projektbericht auf Folie, ich habe eine Präsentation bei meinem Chef“. „Kein Problem, das kann ich gleich machen, sie haben die Präsentation bis heute Nachmittag“ antwortete der beflissene Projektleiter. Gesagt – getan. Die Folien wurden abgeliefert, der Vortrag gehalten, Chef und Chef-Chef waren zufrieden.

Der Chef-Chef war sogar so zufrieden, dass er eine Präsentationen vor dem Vorstand in Aussicht stellte. Des Projektleiters Herz hüpfte vor Freude, ein wenig mehr Aufmerksamkeit konnte dem Projekt nicht schaden. Wenig später war es dann tatsächlich soweit – ein Termin für eine weitere Präsentation wurde anberaumt. Angesichts der Wichtigkeit des Teilnehmerkreises sollte die Präsentation überarbeitet werden. Sie sollte schöner, spektakulärer und weniger mit Einzelheiten gefüllt werden. Wieder sagt der Projektleiter: „Kein Problem, das wird gemacht!“ Es wurde eine beeindruckende Präsentation, das Projekt gewann an Aufmerksamkeit, die Folien wurden weitergereicht, kopiert und an anderen Stellen weiter diskutiert.

In der Zwischenzeit war das Kalenderjahr zu Ende gegangen, das Ritual des Projektberichtes stand an. Für den jungen unerfahrenen Projektleiter war es der erste große Bericht. Ein mühsames Unterfangen: Zahlen in Excel Dateien übertragen, inhaltliche Zusammenfassungen zu Projektschritten schreiben, eine neue Management-Summary formulieren, weil die alte zu lang für das neue Formular war und vieles mehr. Zu guter Letzt wurde noch eine Präsentation für den Lenkungsausschuss erstellt. Die Präsentation sollte den Bericht zusammenfassen, dass die Mitglieder des Lenkungsausschusses möglichst auf das Lesen des Berichtes und der Formulare verzichten könnten. Am Ende stand eine ansehnliche Mappe, die sich auf den Weg zum Lenkungsausschuss und in weitere Steuerungsgremien machte.

Das neue Jahr begann mit der Einführung einer neuen Projektsteuerungssystematik und dem Aufbau eines unternehmensweit agierenden Projektbüros. Das neu gegründete Projektbüro begann Informationen über alle laufenden Projekte zu sammeln, erstellte eine große Projektliste und sprach Empfehlungen zu Weiterführung oder Einstellung von Projekten aus. Auch das Projekt X wurde untersucht und für wertvoll befunden. Es sollte aber modifiziert und mit einem anderen sehr ähnlichen Projekt Y zusammengelegt werden. Eine gute Idee, wenn X und Y nicht ein und dasselbe Projekt gewesen wären. Die kursierenden Berichte und Präsentationen waren mehrfach weiter gegeben worden. Das Wissen, dass es sich um EIN Projekt handelte, war hingegen verloren gegangen. Der oben schon erwähnte Projektleiter bekam den Auftrag die Projekte zu vereinen und musste seinem Chef und Chef-Chef mühsam erklären, dass es nichts zu vereinigen gäbe.

Epilog

Die Geschichte ist natürlich wahr, der junge Projektleiter war ich selbst. Das ganze ist schon etliche Jahre her, die damalige noch nicht vorhandene Kommunikationsinfrastruktur hat da sicher ihren Teil dazu beigetragen. Die Mitglieder des Lenkungsausschusses hatten z.B. noch keine Mailadresse. Gemeinsam genutzte Netzwerkverzeichnisse gab es nicht, es kursierten also tatsächlich ausgedruckte Mappen durch das Unternehmen. Mit Abstand betrachtet lässt mich der Vorfall schmunzeln, damals steckte ich echt in der Klemme. Die Suche nach einer diplomatischen Formulierung meines spontanen Gedankens „Wer lesen kann, ist klar im Vorteil“ war nicht ganz einfach. Das Selbstbewusstsein, kurze knappe Projektberichte abzugeben hatte ich seinerzeit auch noch nicht. Ganz kritisch betrachtet habe ich den Projektbericht damals auch ein wenig zur Selbstdarstellung zweckentfremdet. Deshalb noch eine kleine Moral der Geschichte:

  • Ein Projektbericht ist ein Projektbericht und nichts anderes.
  • Einfache Projektberichte werden besser verstanden.
  • Zu viel Aufmerksamkeit für ein Projekt macht das Arbeiten manchmal nicht leichter.