Eine interessante und traurige Zugfahrt

Durch | 31. Mai 2025

Ich war mit dem Zug unterwegs: Von Ludwigsburg nach Eckernförde. Abgesehen von den üblichen Problemchen wie Oberleitungsschaden, einem umgefallenen Baum auf der Strecke sowie einem Abschnitt Zugersatzverkehr habe ich auch etwas Neues erlebt. Der ICE hielt unterwegs an, die Durchsage lautete der vor uns fahrende Zug hätte einen Wagon verloren. Nach kurzer Pause und einem netten Gespräch mit der Zugchefin stellte sich heraus, dass Güterzüge einen elektronischen Wagon-Zähler haben. An einem der Wagons war dieser defekt, dementsprechend wurden beim Lokführer zuwenig Wagons angezeigt. In diesem Fall muss der Zug angehalten und die Wagons manuell gezählt werden. Nach der Zählung war dann klar, dass kein Wagon verloren ging und alle Züge weiterfahren konnten. Das war interessant.

Das war noch nicht alles. Wie so oft ging es in einem Bahnhof aus zuerst ungenannten Gründen nicht mehr weiter. Im Abteil wurde schnell die Vermutung geäußert, dass es sich um einen Personenunfall handeln könnte. Kurz darauf kam dann die Bestätigung. Es handelte sich tatsächlich um einen so genannten Personenunfall. Der ganze Bahnhof musste gesperrt werden. Als die Fahrt weiter ging kam noch eine Durchsage, bitte nicht auf der linken Seite des Zuges aus dem Fenster zu schauen.

Personenunfall – sol lautet die Umschreibung für einen Suizid. Ein Mensch wirft sich vor einen Zug um sein Leben zu beenden. Irgendwie hat sich die Normalität der Reise dann nicht wieder eingestellt. Ich lese nach wie viele Suizide es in Deutschland gibt. Im langjährigen Durchschnitt sind es ca 9600 im Jahr. Anders formuliert – jeden Tag nehmen sich 26 Menschen das Leben. Meine Güte! We kaputt ist eine Gesellschaft in der sich täglich 26 Menschen selbt das Leben nehmen. (Quellenangabe zu den Zahlen steht am Ende des Textes)

Ganz am Ende des Tages stand ich unter trübem Himmel am Strand von Eckernförde vor der Strandkirche. Im Hintergrund am Horizont sind weitere „Kreuze“ zu sehen. Das sind die Masten von Kriegsschiffen.

Holzwagen am Strand von Eckernförde, der als Kirche fungiert.

Quelle zu Suizid-Zahlen: Bundesamt für Statistik.

Im Jahr 2023 beendeten 10 300 Menschen ihr Leben durch einen Suizid. Das waren 1,8 % mehr Fälle als im Vorjahr und 6,6 % mehr als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Die Verteilung zwischen Männern (73 %) und Frauen (27 %) ist dabei relativ konstant geblieben. Auffällig ist, dass der Anstieg der Suizide im Jahr 2023 vor allem auf eine Zunahme bei den Frauen zurückzuführen ist (+8,0 %), während es bei den Männern einen leichten Rückgang gab (-0,3 %). An den Todesursachen insgesamt machten Suizide ähnlich wie in den Vorjahren einen Anteil von 1,0 % aus.

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/Tabellen/suizide.html

4 Gedanken an “Eine interessante und traurige Zugfahrt

  1. Birte

    Sich vor einen Zug zu schmeißen ist heftig. Auch für die, die das mit ansehen müssen. Ich würde allerdings nicht per se von einer kaputten Gesellschaft sprechen. Ich beschäftige mich aus persönlichen Gründen gerade mit dem Thema assistierter Suizid, weil es mich in meinem Umfeld betreffen könnte. Manche Menschen beenden ihr Leben auch, weil sie schwer krank sind, das Leben nur noch aus Schmerzen besteht.
    Anders ist es natürlich bei Menschen, die keinen anderen Ausweg sehen und denen vielleicht geholfen werden könnte. In der psychischen Versorgung gibt es bei uns dann allerdings tatsächlich massive Versorgungsmängel

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    1. Eberhard "Aebby" Huber Beitragsautor

      Mit dem Thema Sterbehilfe musste ich mich eider auch schon mehrfach auseinandersetzen. Ich denke auch, dass das etwas anderes ist. Sterbehilfe und assistierter Suizid gehen meines Wissens auch nicht in die statistischen Zahlen ein.

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  2. Conny

    Lieber Aebby,

    es ist natürlich schrecklich, damit in dieser Form konfrontiert zu werden, besonders für den Zugführer und Augenzeugen. Manche Zugführer sind so stark traumatisiert, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Andererseits macht es Selbstmord, der sicher häufig im „stillen Kämmerlein“ begangen wird, sichtbar. Leider habe ich mich mit dem Thema noch nicht intensiver befasst, so dass ich etwas Schlaues dazu beitragen könnte. Es stimmt mich nachdenklich. Als junge Frau las ich folgende Zeilen, an die Autorin erinnere ich mich nicht: „Er hat sich das Leben genommen, einfach so, als gehöre es ihm.“ Wenn es so einfach wäre. Allzuoft bleiben Angehörige, die Kinder, Ehepartner, mit schweren Schuldgefühlen zurück.

    Die Strandkirche habe ich noch gar nicht entdeckt, die Kriegsschiffe schon, kein schöner Anblick.

    Sollte es dich noch einmal hier oben an die Küsten ziehen, könnten wir uns gern auf einen Kaffee treffen.

    Liebe Grüße

    Conny

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    1. Eberhard "Aebby" Huber Beitragsautor

      Liebe Conny, die Strandkirche steht da schon mindestens 3 Jahre, die hatte ich schon mal fotografiert, dieses Mal war die Sicht aber klarer und das Menschlein am Strand hat dann auch noch gut gepasst. Der Kaffee lässt sich vielleicht tatsächlich arrangieren. Ich bin ein bis zwei Mal im Jahr in der Gegend, Liebe Grüße Aebby

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