Was ist (eine) Kultur?

Durch | 7. Januar 2009

Ich möchte das neue Jahr mit einem Grundlagen-Artikel beginnen. Der Begriff der Kultur wird vielfältig verwendet. Es ist oft von Projekt-, Firmen-, und Teamkulturen die Rede. Wenn Verständnisschwierigkeiten auftreten, kommt noch der Begriff des interkulturellen Konflikts hinzu. Das Störpotential, das sich aus solchen Konflikten ergibt, hat schon viele Projekte behindert. Das eigentliche Problem liegt aber im wahrsten Sinne des Wortes noch tiefer.

Am Anfang steht die Frage „Was ist (eine) Kultur? Eine sehr allgemein gehaltene Definition ist die folgende ((G. Maletzke. Interkulturelle Kommunikation. Stuttgart 1996: WDV, S. 16)):

Kultur ist „im wesentlichen zu verstehen als ein System von Konzepten, Ãœberzeugungen, Einstellungen, Werteorientierungen, die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden.

Dieses System von Konzepten, Ãœberzeugungen usw. lässt sich mit der so genannten Kulturzwiebel veranschaulichen. Eine Zwiebel besteht aus verschiedenen Schichten und je tiefer man schneidet desto schmerzhafter wird es für die tränenden Augen. Die verschiedenen Schichten werden den Begriffen „Symbole“, „Helden“, „Rituale“, „Normen“ sowie „Grundannahmen“ zugeordnet:

Kulturzwiebel

Kulturzwiebel

Zu den Symbolen zählen z.B. Nationalfarben, Kleidung oder einzelne Merkmale einer Kleidung. So ist es in Deutschland für Männer üblich im Büro lange Hosen zu tragen. Der plakative Begriff der Helden lässt dann schon tiefer blicken. In den USA ist Bill Gates, trotz aller Scherze über seine Produkte ein Held, eine Ikone des „american dream“, Linus Torvald hingegen ist ein Antiheld, andernorts wird diese Einschätzung nicht geteilt. Das erste Konfliktpotenzial wird sichtbar: In einem internationalen Team sollte man sich vorher überlegen ob man „Microsoft-Witze“ erzählt oder sich hinterher nicht wundern warum nicht alle in gleicher Weise über den Witz lachen. Hinter den Ritualen verbergen sich Begrüßungen, Höflichkeitsformen, Verbeugungen, Körpersprache, Gebete, Essensgewohnheiten, Zeiteinteilungen usw.: Kopfschütteln bedeutet nicht immer eine Verneinung, genauso wenig wie ein Lächeln Zustimmung bedeuten muss. Die klassischen Beispiele für interkulturelle Differenzen und Konflikte können meist diesen ersten drei Schichten zugeordnet werden.

Für die Projektarbeit kommen auf den nächsten Ebenen weitere Schwierigkeiten hinzu. Hinter den Normen bzw. Werten steckt unter anderem das Verständnis von Führung, Hierarchie oder die Einstellung zum Umgang mit Fehlern. Der offene Umgang mit Fehlern ist nie leicht, in manchen Kulturen jedoch fast unmöglich. Hinter dem „Verschweigen“ eines Fehlers steckt ggf. eine tiefsitzende Angst vor Ehrverlust. Entsprechned groß ist die Gefahr, dass das „Verschweigen“ fälschlicherweise als Verweigerung interpretiert wird. Hinter den Grundannahmen verstecken sich grundlegende Konzepte des Zusammenlebens. In den jeweiligen Bedeutungen spiegeln sich Staatsform, Religion und Geschichte wider. Was hat das mit Projekten zu tun? Unter Umständen sehr viel! Das Grundverständnis dessen was ein Team ist und wie man sich in einem Team zu verhalten hat hängt von diesen Grundannahmen ab. Diese Differenzen sind kein globales Phänomen. Bereits innerhalb von Deutschland gibt es hier erhebliche Unterschiede.

Das Zusammenspiel dieser fünf Faktoren macht eine Kultur aus. Prinzipiell kann jede Gruppe unabhängig von ihrer Größe ein eigenes System also eine eigene (Sub)Kultur entwickeln. Das oben genannte Beispiel „Symbol der langen Hose“ lässt sich noch verfeinern: Trotz des „kulturellen Konsens“ der langen Hose kann die Wahl des Hemdes bereits von der Zugehörigkeit zu einer (Sub)Kulturgruppe abhängen: Software-Entwickler tragen in der Regel andere Hemden als die Kollegen aus der Vertriebsabteilung. Dieses Beispiel hat zwar einen anekdotischen Charakter zeigt aber eine wichtige Randbedingung auf. Die Kultur einer Untergruppe leitet sich aus der Kultur der übergeordneten bzw. größeren Gruppe ab und bleibt teilweise kompatibel.

Kultur und Projektkultur

Es ist wünschenswert, dass ein Projekt eine eigene Kultur entwickelt und den Zusammenhalt des Projektteams und damit indirekt die Leistungsfähigkeit des Teams stärkt.

Die konkrete Klärung der Zusammenarbeit, also die Verständigung über projektinterne Normen ist ein gruppendynamischer Vorgang. Er entspricht der Norming-Phase der Teamentwicklung. Bestehen hier kulturelle Differenzen kann die Norming-Phase meist mit negativen Auswirkungen auf den Projektfortschritt erheblich verlängert werden. ((Das Team-Uhrwerk – Steuerung des Gruppen-Prozesses in Projekt-Teams))

Die Kultur des Projektes darf jedoch nicht in Widerspruch zu den Kulturen der Ursprungsgruppen geraten. Die Entstehung einer Projekt- oder Teamkultur sollte daher gezielt gefördert und als Teil der Projektleitung aufgefasst werden. Eine bewusste Steuerung der Kulturbildung erlaubt eine Vermeidung konfliktreicher Themen. Auch hier hilft das Modell der Kulturzwiebel weiter … am besten von außen nach innen arbeiten. Ein Projektlogo kann schon als Symbol dienen. Regelmäßige gleich ablaufende Meetings, wiederkehrende Tagesordnungspunkte z.B. eine Keksdose, die vor jedem Meeting neu befüllt wird, können die Grundlage für Rituale bilden. Ein zwangloses Gespräch über Vorbilder wie z.B. angesehene und respektierte Kollegen schafft eine Kenntnis über gemeinsame „Helden“. Gemeinsamkeiten auf dieser Ebene erleichtern dann die kulturell tiefergehende Verständigung über Form der Zusammenarbeit und die gruppeninterne Normenbildung.

Im vorangegangen Abschnitt zeigte sich ein erster Zusammenhang zwischen der Gruppendynamik in einem Projektteam, dem Potential der beteiligten Kulturen sowie der Entstehung einer neuen Projektkultur. Dieser Zusammenhang wird in den nächsten Tagen noch ausführlicher zur Sprache kommen. Für heute schließe ich mit einem zusammenfassenden Bild der Kulturzwiebel:

Kulturzwiebel

Kulturzwiebel

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