Die Ãœberschrift dieses Beitrages taucht auch in der Kopfzeile des Blogs auf, es ist gewissermaßen das zentrale Thema. Was soll teamorientiertes Projektleitung eigentlich darstellen? Um dies deutlich zu machen muss ich ein wenig ausholen. Projektleitung und Projektmanagement beschäftigen mich seit Jahren in Forschung, Lehre und (manchmal leidvoller) Praxis. Genau genommen sind es sogar schon Jahrzehnte. In all den Jahren habe ich mit unterschiedlichsten methodischen Ansätzen gearbeitet. Mal waren es die Vorgaben des Arbeitgebers oder die der Kunden, mal die selbstgewählten Ansätze oder Ideen, die einem als Führungskraft in den Sinn kommen. Ich habe erfolgreiche, weniger erfolgreiche und total versemmelte Projekte erlebt und verantwortet. Im Bestreben die Erfolgsquote über die Jahre zu steigern habe ich zuerst versucht die beste Methode zu finden was sich jedoch als völlig unfruchtbar heraus stellte. Weder im eigenen oder kollegialen Erfahrungsschatz noch in Studien konnte ich einen nachweisbaren und plausiblen Zusammenhang zwischen eingesetzter Methode und Projekterfolg finden. Demzufolge habe ich erfolgreiche Projekte reflektiert um Gemeinsamkeiten außerhalb des methodischen oder technologischen Blickwinkels zu finden. Die gefühlten Gemeinsamkeiten der erfolgreichen Projekte lassen sich in drei Punkten zusammen fassen:
- Es gab ein übergreifendes „Projektziel“, das den Charakter einer Vision hatte.
- Es gab klare und konkrete Ziele, die kompatibel zur Vision waren.
- Die Mitarbeiter im Projekt haben im Dienste der Vision gut zusammengearbeitet.
Das hört sich im ersten Moment plausibel aber auch fast schon trivial an. In jedem dieser Sätze sind jedoch implizit Hindernisse und Abhängigkeiten enthalten. Die Grafik zeigt einen Teil der Zusammenhänge. Der erste Punkt, den es fest zu halten gilt, ist der, dass eine Vision nicht identisch mit den Zielen ist. Aus der Vision können und müssten konkrete Ziele abgeleitet werden. Gut formulierte Ziele verlieren aber ohne Vision an Wert. Die Vision ermöglicht wesentlich die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Projekt. In der Literatur findet sich als Merkmal für Hochleistungsteams an erster Stelle die gemeinsame Vision. Ein perfekt formuliertes Lastenheft, das umgesetzt werden soll, reißt – salopp gesprochen – niemanden vom Hocker. Genau das muss die Vision aber leisten. Die Mitarbeiter müssen bildlich gesprochen vom Hocker gerissen werden, für die Dauer des Projektes von den Stühlen des Alltags Abschied nehmen um im Dienste der Vision mit den anderen zusammen zu arbeiten.
Während sich die Urform des Projektmanagements überwiegend um die Klarheit der Ziele (Spezifikation) und die Organisation der zielgerichteten Arbeit (Planung, Steuerung, Controlling) kümmerte, rückte im Lauf der Jahre zunehmend auch die Vision in den Blickpunkt. In den PM-Methodiken äußerte sich dies z.B. im Stakeholder-Management. Auch die Bedeutung der Kommunikation und der Mitarbeiterführung nahm zu und fand Eingang in die PM Methodiken. In der Grafik bezeichne ich diese ausgefeilten Methodiken als „klassisches PM“. Klassisch insofern, dass mit dem agilen Manifest der Aspekt des Teams in den Vordergrund rückte. Vision, Team und die Arbeitsfähigkeit des Teams werden z.B. in Scrum sehr explizit benannt.
Die Debatten „agil“ vs. „klassisch“ halte ich hierbei für wenig zielführend. Wesentliche Unterschiede sehe ich lediglich in der Vorgehensweise wie die konkreten Ziele, die erreicht werden müssen, ermittelt werden. Vision ist immer nötig, ohne Kommunikation läuft nichts und dasTeam muss immer irgendwie zum Funktionieren und Arbeiten gebracht werden.
Und damit komme ich endlich zur teamorientierten Projektleitung. Das Zusammenwachsen der Mitarbeiter zum Team, die Entstehung einer Kooperation, die mehr als eine Anhäufung von Einzelkompetenzen ist, ist in vielen Projekten von glücklichen Zufällen, den Führungsqualitäten oder dem Charisma des Projektleiters abhängig. Vision, Ziele sind notwendig aber nicht hinreichend um ein gutes Team entstehen zu lassen. Hier setzt teamorientiertes Projektleitung an, die den Teambildungsprozess im Laufe des Projekts fördernd begleitet. Teamorientiertes Projektleitung ist eine (auch ethische) Grundeinstellung. Sie ist ein Leitungsprinzip, das Selbstorganisation zulässt und fördert, und somit ermöglicht, das im Team vorhandene Potential tatsächlich auszuschöpfen. Wie das konkret aussehen kann ist im Beitrag über das Teamuhrwerk nachzulesen.
Dieser Text ist unter Creative Commons BY NC ND (Namensnennung – Nicht Kommerziell – Keine Bearbeitung) lizenziert. Er ist Teil des Buchprojekts „Menschen im Projekt“. Er gehört zum Abschnitt 1B, siehe Mindmap zu Inhalt und Struktur.
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