Scrum oder die Selbstorganisation fällt nicht vom Himmel

Durch | 4. Februar 2010

Das Scrum-Team arbeitet selbstverantwortlich und selbstorganisiert. Selbstorganisation ist eines der wesentlichen Merkmale eines echten Teams – daran besteht kein Zweifel. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation fällt aber nicht vom Himmel, wenn beschlossen wird „wir machen Scrum“ oder die Abteilung in Team umbenannt wird. Diese Fähigkeit muss von der Gruppe hart erarbeitet, geübt und laufend trainiert werden. Ja – es ist wie im Sport. Wenn wir eine Handballmannschaft betrachten ist jedem klar, dass zehn Sportler mit guten individuellen Fähigkeiten noch keine gute Mannschaft ausmachen, die erfolgreich spielt. Es liegt klar auf der Hand, dass der Trainer die harte Aufgabe hat aus den Individualisten eine Mannschaft zu machen, die dann irgendwann auf dem Feld steht und bei kritischen Spielständen selbst dafür sorgen kann, dass sie zum Erfolg kommt. Wie beschränkt der Einfluss des Trainers im laufenden Spiel ist, erkennt man oft daran wie verzweifelt die Trainer auf und ab rennen wenn die Mannschaft nicht das umsetzt was sich der Trainer ausdenkt.

Ein Scrum-Master hat einen ähnlichen Job wie ein Handballtrainer. Er oder sie muss den Haufen von Spezialisten dazu bringen als Team zu agieren und durch laufendes Training dafür sorgen, dass die Leistungsfähigkeit erhalten bleibt. Genau! – es geht um Erhaltung und nicht um Steigerung. Die Leistungsfähigkeit jedes Teams wird von alleine schlechter – es ist genauso wie bei einer Handballmannschaft ohne Trainer, die Spielpraxis kann eine gewisse Zeit die sich verschlechternde Kommunikation und das Einschleifen schlechter Gewohnheiten verlangsamen, langfristig geht es aber nicht ohne Training.

Noch ein paar Wort zur Leistungssteigerung oder gar zum Leistungsdruck: Ein echtes Team arbeitet um Größenordnungen effizienter als eine zusammengewürfelte Gruppe oder ein „zerstrittener Haufen“. Wenn die Teamarbeit ins Laufen kommt entsteht das „Wir-Gefühl“, der Teamgeist, der ein Gefühl der Verpflichtung mitbringt. Dieses Gefühl der Verpflichtung lässt den Einzelnen die persönlichen Bedürfnisse hinten an stellen. Mit dem Erfolg kommt als Belohnung das Gefühl der kollektiven Euphorie. Das ist wichtig und manchmal notwendig. Das Wechselspiel aus Verpflichtung und Euphorie darf aber nicht zum Dauermotor der Arbeit werden sonst besteht die Gefahr des Ausbrennens. Hier steht der Scrum-Master in der Pflicht dieses zu verhindern. Diese Aufgabe ist doppelt schwer, weil ein rennendes Team sich gelegentlich selbst überfordert. Auf der anderen Seite wird gelegentlich von Seiten der Organisation Druck aufgebaut um Hochleistungsteams noch weiter zu treiben und auszubeuten. Der Scrum-Master steht dazwischen. Der / die Scrum-Master ist also nicht nur Hebamme der Selbstorganisation sondern manchmal auch großer Bruder oder große Schwester, die das Team beschützen.

Noch einmal zurück zum Handballsport, den ich als ehemaliger Spieler und Trainer immer noch verfolge. Die deutsche Nationalmannschaft hat in den letzten Jahren große Erfolge gefeiert. Erfolge, die teilweise mit ersatzgeschwächten Mannschaftsaufstellungen erzielt wurden. Der Teamgeist hat hier unglaublich viel kompensiert aber irgendwann kollabiert das Verpflichtungs-Euphorie-System. Die Euphorie kann nicht ewig den Verbrauch der Substanz kompensieren – das enttäuschende Abschneiden bei der letzten Europameisterschaft kann man durchaus als Ausbrennen des Teams deuten.

In Kürze noch einmal die wichtigsten Punkte als Zusammenfassung. Diese Punkte gelten nicht nur für Scrum sondern für alle Organisationsformen, die auf selbstorganisierte Teams setzen:

  • Selbstorganisation muss erarbeitet, geübt und erhalten werden.
  • Selbstorgansierte Teams brauchen Trainer.
  • Trainer benötigen eine andere Ausbildung als Teammember

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