Ist das Kommunikationsquadrat noch nicht genug, sind wirklich 5 Ecken notwendig? Friedemann Schulz von Thun schreibt im letzten Band der Reihe „Miteinander Reden“ ((Friedemann Schulz von Thun „Miteinander Reden: Fragen und Antworten“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-499-61963-2)) „Müsste das Kommunikationsquadrat nicht eigentlich 5 Seiten haben? Richtig …“. Er bleibt dennoch beim Quadrat um das Modell einfacher zu halten. Ich stoße in Seminaren jedoch immer wieder auf Erklärungsschwierigkeiten, wenn folgende Aspekte mit dem Quadrat in Verbindung gebracht werden:
- Komplexität der Beziehungsebene bzgl. „Wir“ und „Du“
- Gleichzeitigkeit der verschiedenen Aspekte einer Botschaft / Äußerung
- Einbeziehung der Erwartungen des Kommunikationspartners und Angemessenheit der Kommunikation
- Zusammenhang mit „Ich-“ und „Du-Botschaften
Deshalb möchte ich gewissermaßen das Modell für Fortgeschrittene vorstellen. Das häufig zitierte Kommunikationsquadrat spaltet eine Äußerung gewissermaßen in 4 Seiten auf: Die Sachebene, den Appell, die Beziehungsebene und die Selbstoffenbarung. Genauer betrachtet enthält die Beziehungsebene einen Teil, der mit dem „Wir“ zusammenhängt sowie einen Teil der das „Du“ in der Beziehung repräsentiert. Veranschaulicht dargestellt bricht die Beziehungsseite des Quadrates auf, ein Knick lässt aus dem Quadrat das Fünfeck werden. Diese Aufteilung der Beziehungsebene ist sinnvoll, da jede Äußerung, die einen nennenswerten Beziehungsanteil enthält immer den Aspekt der eigenen Vorstellung der gemeinsamen Beziehung als auch eine Erwartungshaltung an das Gegenüber enthält. Der Begriff Beziehung und die häufige Verwendung plakativer Beispiele der Mann-Frau Kommunikation darf nicht darüber hinweg täuschen, dass auch professionelle Gespräche wie z.B. Zielvereinbarungsgespräche einen hohen Beziehungsanteil enthalten: Kritik, Anerkennung, Würdigung der Leistung des Gegenübers sind nur einige Beispiele beziehungslastiger Elemente in beruflicher Kommunikation.
Die Gleichzeitigkeit der Aspekte einer Äußerung lässt sich im Fünfeck ebenfalls eleganter darstellen. Eine Äußerung ist wie ein musikalischer Klang. Auf den 5 Notenlinien sind die Noten entsprechend den Seiten des Fünfecks farbig notiert. Genau wie bei einem Akkord erklingen die Töne gleichzeitig – nicht immer in der gleichen Lautstärke aber prinzipiell sind immer alle Noten vorhanden. In der Gleichzeitigkeit verbergen sich zwei mögliche Komplikationen der Kommunikation. Zum Ersten ist sich der Sender der Äußerung nicht immer aller Noten, die er anklingen lässt bewusst. Zum Zweiten hat der Empfänger der Äußerung eventuell ein selektives Gehör, das heißt er hört ggf. manche Töne besonders deutlich andere werden eher überhört.
Dieses selektive Gehör, das gewissermaßen durch die vier Ohren des Quadratmodells dargestellt wird, ist in nebenstehender Grafik in Form unterschiedlicher großer Ohren veranschaulicht. Die Ohren lauschen mit unterschiedlicher Empfindlichkeit. Die Äußerung, die mit einer Betonung auf Sachinhalt und Appell auf die Reise ging, verändert sich durch die Ohren zu einem Klang, der seinen Schwerpunkt auf der Beziehungsebene hat. Das klassische Missverständnis analog zum „Da ist was Grünes in der Suppe Dialog“ nimmt so seinen Anfang. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Ohren verstehen? Es wäre aber verfehlt den Empfänger eines Fehlers zu bezichtigen. Aus der Situation in der das Gespräch stattfindet ergeben sich Erwartungen. Der Empfänger erwartet eine bestimmte Äußerung. Nach der Lösung eines kniffligen Problems erwartet der Mitarbeiter (oder wünscht sich) lobende Worte. Der Projektleiter denkt an den knappen Zeitplan und möchte die nächste Aufgabe adressieren. Aus der sachlichen, inhaltlich korrekten Verteilung einer Aufgabe wird durch die Nichterfüllung der Erwartung eine für den Mitarbeiter enttäuschende Äußerung, er interpretiert das fehlende Lob ggf. sogar als Unzufriedenheit des Projektleiters. Entsprechend dominierend wird für ihn oder sie der Klang auf der Beziehungsebene. Dementsprechend wird die Antwort mit einem erhöhten Beziehungsanteil zurückgeschickt. Jetzt kommt es darauf an ob der Kommunikationspartner sein Beziehungsohr empfindlich genug eingestellt hat um ggf. empathisch zu hören und angemessen zu reagieren.
Die Angemessenheit der Äußerung ist ein wichtiger Punkt. Der in vielen Beispielen demonstrierte Fall, dass eine missverstandene Äußerung auf die Beziehungsebene abgleitet und empathisch gelöst werden muss, rückt oft die „Ich-Botschaft“ in den Fokus. Die „Ich-Botschaft“ soll mit möglichst wenig verletzender Unterstellung versuchen dem Kommunikationspartner den eigenen emotionalen Anteil zu verdeutlichen. Dementsprechend hoch ist der Selbstoffenbarende-Wir-lastige Beziehungsanteil. Die offensivere Du-Botschaft bezieht den „Du-Anteil“ der Beziehung und eine Portion Appell mit ein. Im Bild sind die Botschaften mit ihren unterschiedlichen Kompositionen dargestellt. Zurück zur Angemessenheit und auch zur Stimmigkeit. Es gibt keine Art der Äußerung oder einen bestimmten Stil, der grundsätzlich besser wäre. Dies hängt immer von der Situation und den Persönlichkeiten der Beteiligten ab. Krampfhafte Anwendung eines unpassenden Stils kann kontraproduktiv und peinlich werden. An einem Beispiel lässt sich das schön verdeutlichen: Der Einsatzleiter der Feuerwehr muss im Einsatz kurz und knapp kommandieren – Kommandos bestehen praktisch ausschließlich aus Sach- und Appell-Klang. Ausführliche Ich-Botschaften hingegen sind für den Fortgang der Löscharbeiten eher hinderlich.
Für die Einschätzung der Angemessenheit lässt sich leider kein Patentrezept angeben. Neben konkreter Ãœbung und Reflexion von Gesprächen unter den Gesichtspunkten des Kommunikationsfünfecks ergeben sich wertvolle Hinweise auch aus dem Werte- bzw. Entwicklungs-Quadrat … Fortsetzung folgt („Noch ein Quadrat – über Werte und Entwicklungen“).
Dieser Text ist unter Creative Commons BY NC ND (Namensnennung – Nicht Kommerziell – Keine Bearbeitung) lizenziert. Er ist Teil des Buchprojekts „Menschen im Projekt“. Er gehört zum Abschnitt 5A, siehe Mindmap zu Inhalt und Struktur.
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@Thomas … danke für die Hinweise. Merke: Korrekturlesen erst am Morgen machen 😉
Und noch eine Anmerkung: „An einem Beispiel lässt sich das schön verstanden, …“: verstanden -> verdeutlichen
Ich glaub, ich habe einen kleinen Fehler im Text gefunden: „Es gibt keine Art der Äußerung oder einen bestimmten Stil, der /der/ bessere wäre.“ (doppeltes „der“)