Die Projektflut

Durch | 16. Mai 2013

Als Fazit eines kurzen Gedankenaustausches auf twitter formulierte ich letzte Woche spontan folgenden Satz: „manchmal denke ich, dass die Projekt-Flut ein Zeichen für Orientierungs- und Strukturlosigkeit ist„. Nach einigem Nachdenken scheint mir, dass der Satz in der Tat seine Berechtigung hat. Zumindest passt er zu einigen Beobachtungen, die ich in den letzten Jahren immer wieder gemacht habe.

  1. Produkte und Geschäftsfelder ändern sich sehr schnell. Lebenszyklen von Produkten werden kürzer.
  2. Strukturen in Unternehmen sind kurzlebiger geworden. Firmen werden gekauft oder verkauft und danach neu strukturiert. Familienbetriebe werden in Aktiengessellschaften umgewandelt.
  3. Führungsprinzipien, die in weitgehend statischen produzierenden Unternehmensstrukturen entstanden sind, zeigen in sich verändernden Kontexten immer weniger Wirkung.

In den genannten Situationen wird häufig zum Projekt gegriffen:

Kurze Lebenszyklen erfordern immer schnellere Produktentwicklungen. Wenn ein Produkt die Produktionsphase erreicht wird schon mit der Entwicklung des Nachfolgeprodukts begonnen. Das ist nur mit einer nahezu ununterbrochenen Sequenz von Projekten zu bewältigen.

In sich verändernden Strukturen werden Abläufe, die bisher in der Linienorganisation stattfanden, in Projekte verlagert um die Organisation irgendwie am Laufen zu halten. Hier ist die Sinnhaftigkeit der Projekte schon fraglich.

Der dritte Fall ist noch mehr als fraglich. Möglicherweise werden Projekte aufgesetzt um Führungs-Verantwortung zu delegieren oder gar zu verschleiern. Bei Erfolg des Projektes fällt der Lohn an die Linienorganisation zurück. Bei Misserfolg kann der Projektleiter verantwortlich gemacht werden. Ich möchte nicht unterstellen, dass dies bewusst geschieht. Vielmehr ist es ein Ausdruck von Unsicherheit bzw. dem Gefühl, dass Führungstechniken nicht mehr richtig funktionieren.

Wenn in einem produzierenden Unternehmen fast alle MitarbeiterInnen in „Projekten“ arbeiten sollte man sich zuerst die Frage stellen ob wirklich alle Aktivitäten den Namen „Projekt“ verdienen. Wenn diese Frage ehrlich mit „Ja“ beantwortet werden kann ist es vielleicht an der Zeit über Portfoliomanagement nachzudenken. Falls die Frage zähneknirschend mit „Nein“ beantwortet werden muss, sollte man sich ernsthafte Gedanken über sinnlose Reibungsverluste machen.

3 Gedanken an “Die Projektflut

  1. Dr. Eberhard Huber Beitragsautor

    Hallo Frau Schließer, danke für Ihre Ergänzung. Ihra Aussage „sodass sich das Werkzeug an jedes Projekt anpasst und nicht umgekehrt“ könnte durchaus mehr Gehör vertragen, oft ist es leider andersrum, viele Grüße Eberhard Huber

  2. Mareike Schließer

    Interessante Gedanken zu diesem wichtigen Thema!
    Auch ich habe noch eine Anregung, die ich gerne beisteuern möchte: Gerade bei schneller werdenden Projekte, die eine gewisse Komplexität mitbringen, ist eine gute Organisation unabdingbar. Dazu bietet sich aus meiner Sicht vor allem ein entsprechendes Tool an, das die Prozesse klar strukturiert, für das ganze Team darstellt und fortlaufend über den Fortschritt informiert. In meinem derzeiten Unternehmen haben wir Ende letzten Jahres Comindware eingeführt und seitdem ist alles besser strukturiert. Und wie im Artikel schon beschrieben, ist die flexible Anpassung an den aktuellen Projektverlauf sehr wichtig. Comindware erlaubt da z.B. die Nutzung von Modulen und sehr tiefgreifende Anpassungen, sodass sich das Werkzeug an jedes Projekt anpasst und nicht umgekehrt. Denn nur wenn eine Software zur Strukturierung auch genutzt wird, bringt sie ja wirklich etwas.

  3. Roland Dürre

    Spontan hätte ich noch zwei Anregungen:

    Vielleicht sollte man ab und zu die „Unternehmens-Crowd“ befragen, wie sie denn den Sinn und Nutzen der diversen Projekte bewertet.

    Und sich immer die Frage stellen, inwiefern jedes einzelne Projekt tatsächlich den sicher permanent notwendigen Veränderungs- und kontinuierlich gefragten Verbesserungsprozess unterstützt (oder ihn de facto vielleicht beschädigt). Und dabei politische oder persönliche Motivation bewusst hinten anstellt.

    Und beides nicht als weiteres Projekt betrachten sondern als Kultur und Werte schaffende tägliche Aufgabe aller derer, die sich für „ihr“ Unternehmen verantwortlich fühlen.

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