Was hat japanisches Bogenschießen mit Projektmanagement zu tun? Genau genommen nichts. Dennoch hat mir Kyudo ((Kyu – do: Weg des Bogens. Kyu = Bogen, Do = Weg.)) einige wichtige Einsichten verschafft. Um auf den Punkt zu kommen, muss ich leider ein wenig ausholen. Bogenschießen ist eines meiner Hobbys. Im Laufe der Jahre habe ich mit verschiedenen europäischen Bögen experimentiert. Letzte Woche hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit mich an einem japanischen Bogen zu versuchen. Dabei sind mir große Unterschiede bewusst geworden.
Zuerst ein paar Worte zu den europäischen Bögen: Egal ob es sich um einfache englische Langbögen oder technisch ausgefeilte Recurve-Bögen handelt, es gibt einige grundlegende Gemeinsamkeiten. Sie sind symmetrisch und werden in der Mitte gehalten. In der Mitte sind die Schwingungen des Bogens beim Abschuss deutlich spürbar. Dementsprechend wird viel konstruktiver Aufwand betrieben diese Schwingungen erträglicher zu machen. Eine weitere Gemeinsamkeit ist das Bogen-Paradoxon. Das bedeutet, dass die Richtung in die der Pfeil zeigt, nicht mit der Visierlinie übereinstimmt. Beim Abschuss verbiegt sich der Pfeil und schwingt im Flug um die Visierlinie. In Zeitrafferaufnahmen ist deutlich zu sehen, dass sich der Pfeil quasi um die Flugrichtung schlängelt.
Das funktioniert nur, wenn Bogen und Pfeil präzise aufeinander abgestimmt bzw. passend konstruiert sind. Der Bogen wird zur Pfeilwurfmaschine, der Schütze zum Bediener einer Maschine.
Im Kyudo werden andere Ansätze verfolgt. Der japanische Bogen ist asymmetrisch und wird im unteren Drittel gegriffen. Der Griff befindet sich genau in einem Schwingungsknoten. Der zum Teil heftige Handschock eines europäischen Bogens entfällt damit völlig. Der Bogen wird einfach an der Stelle in die Hand genommen, an der er nicht vibriert. Das Bogen Paradoxon wird ebenfalls auf elegante Weise umgangen. Durch eine besondere Technik der linken Hand wird der Bogen aus dem Weg des Pfeils gedreht, der Pfeil fliegt damit ungestört geradeaus. Die Drehbewegung des Bogens verlängert zudem den Beschleunigungsweg. Der Pfeil wird im Verhältnis zum Zuggewicht des Bogens schneller. Eine Kehrseite der Medaille gibt es auch. Die Technik des Kyudo wurde über Jahrhunderte verfeinert. Das Erlernen dieser Technik dauert Jahre, die Perfektionierung Jahrzehnte.
Ich erkenne hier zwei grundverschiedene Ansätze. Bei gleichem Ziel kann man entweder das Werkzeug technisch verfeinern oder man optimiert die Handlungen des Menschen mit dem Werkzeug.
Damit komme ich zum Projektmanagement. In den letzten Jahrzehnten wurden die Werkzeuge für die Projektarbeit immer wieder verbessert und optimiert. Vielleicht wäre es an der Zeit mehr Augenmerk auf die Handhabung bestehender Werkzeuge zu richten.
Zum Schluss noch ein Video eines Kyudo Schützen.