Es ist schon etliche Jahre her, E-Commerce steckte noch in den Kinderschuhen. Das Projekt rankte sich um einen B2B Shop der ersten Generation. Das Kernproblem des Shops war, dass die technischen Betriebskosten deutlich höher waren als die Erlöse, die mit dem Shop erzielt wurden. Genau genommen waren die Betriebskosten sogar höher als der Umsatz, der mit dem Shop gemacht wurde. Das Projektziel für einen Neubau des Shops war demzufolge glasklar formuliert: Reduzierung der Betriebskosten auf eine Maximalsumme von x DM (der Euro war damals noch nicht eingeführt). Aufgrund neuer Technologien, die zur Entstehungszeit des Altsystems noch nicht verfügbar waren, wäre das Ziel ganz leicht erreichen zu gewesen. Selbst bei voller Berücksichtigung der Entwicklungskosten des neuen Systems wäre ein ROI in wenigen Monaten erzielt worden. Ein kleines schnelles Projekt, das sich in wenigen Monaten bezahlt macht! Was will man mehr.
Das „Mehr“ könnte darin bestehen, dass in einem neuen prestigeträchtigen Arbeitsgebiet Meriten zu verdienen sind, das Projekt könnte zum strategischen Vorreiter für alles Mögliche dienen – und so geschah es.
Aus der Ein-Satz-Formulierung des Projektzieles entstand ein mehrseitiges Elaborat, in dem eine rosige Zukunft des gesamten Unternehmens skizziert wurde. Mit dem Elaborat wuchs das Projektteam, aus einem Team in operativer Größe wurde eine Gruppe, die sich ein eigenes Organigramm geben musste. Projektleiter und Teilprojektleiter wurden installiert. Die Vision des Zielsystems wurde immer größer, komplizierter und am Ende völlig unverständlich. Immer neue Fragen wurden aufgeworfen, die einfache Fragestellung entwickelte sich so lange, bis sie den Anschein von Komplexität hatte.
Epilog 1
Das Ende der Geschichte, es wurde ein System gebaut, das noch mehr Betriebskosten verursachte als das alte. Umsatzsteigerungen wurden nicht erzielt. Die Maßnahmen, die eventuell den Umsatz erhöht hätten, waren der Kompliziertheit des Projektes zum Opfer gefallen.
Epilog 2
Das Aufblasen von kleinen effizienten Vorhaben zu monströsen Projekten, die vor allem viele Manager-Sessel und Gremien generieren, kann in unseren heutigen, aufgeklärten Zeiten natürlich nicht mehr vorkommen. 😉