Hybrides Projektmanagement ist keine Ausrede

Durch | 29. April 2019

Hybrides Projektmanagement ist in aller Munde. Der situativ passende Mix aus Methoden bzw. Elementen verschiedener Vorgehensweisen führt zum Erfolg. In einer Werbeanzeige las ich kürzlich, dass ein effizienter Mix der besten Elemente des Wasserfalls und des agilen Konzeptes ein effizientes Projektmanagement des „best ob both worlds“-Prinzips sei.

So weit so vielversprechend, die Realität sieht aber in vielen Organisation anders aus. Der hybride Mix wird gelegentlich als Ausrede gebraucht, um unangenehme Aspekte einer Methode nicht anwenden oder umsetzen zu müssen.

Es fallen Sätze wie „Wir schreiben keine abnahmerelevante Spezifikation, wir machen User-Stores.“ Oder „Wir benötigen keine Pläne, wir machen Scrum“. Im ersten Fall wird dann geflissentlich ignoriert, dass jede einzelne User-Story eine Abnahmespezifikation ((Eine „condition of satisfaction“ ist in der Regel eine Liste von Bedingungen, die erfüllt sein müssen um die „Story“ erfolgreich abzunehmen.)) enthalten muss. Im zweiten Fall wird ignoriert, dass in Scrum in den Planning-Meetings viel detaillierter geplant wird, als es in einem klassisch gesteuerten Projekt möglich wäre. ((Ein echtes Scrum-Team plant sehr viel und detailliert. Im Unterschied zum klassischen Projektplan wird die Planung nicht von einer Projektleitung vorab erstellt, sondern vom Team während der gesamten Laufzeit gepflegt.)).

Trotz des agilen Hypes ist in vielen Organisation ein Vorgehensmodell mit langfristiger Vorausplanung immer noch relevant. Andererseits sind die Vorteile einer agilen Vorgehensweise nicht mehr zu ignorieren. Insofern ist die Kombination von Vorgehensweisen ein offensichtlicher und notwendiger Ausweg. Um diesen Weg erfolgreich zu beschreiten sollte nicht den Ausreden gehuldigt werden. Stattdessen müssen Übergabepunkte zwischen methodisch unterschiedlichen Elementen definiert werden. Davor und danach muss ordentlich und präzise gearbeitet werden.

Hybride Vorgehensweise erfordert Präzision

An einem Beispiel wird das klarer. In Behörden ist nach wie vor das V-Modell die vorgeschriebene Vorgehensweise. Die große Zahl an Spezifikations-Dokumenten und ein agiles Backlog passen allerdings nicht richtig zusammen und können nur aufwändig parallel gepflegt werden – hier kommen dann die erwähnten Übergabepunkte ins Spiel. Eine mögliche Gestaltung eines solchen Punktes kann wie folgt aussehen:

  1. Zusammenfassung der frühen (groben) Spezifikationsdokumente in einem knapp formulierten Dokument
  2. Ausrufung eines Redaktionsschlusses der Dokumente und offizielle Abnahme des zusammengefassten Dokumentes
  3. Verwendung der Zusammenfassung als Vision für den Einstieg in Scrum
  4. Aufsetzen eines Backlogs, das die wesentlichen Inhalte und Gliederungspunkte der vorangegangenen Dokumente z.B. in Form von Kategorien enthält

Die später im Kontext des V-Modells notwendigen Abnahme-Spezifikationen ergeben sich dann aus Auszügen des Backlogs. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn die Einträge im Backlog nach den Regeln der Scrum-Kunst gepflegt und bearbeitet wurden. Wenn bei den Definitionen von „ready“ und „done“ geschlampt wird, wird weder die Übernahme aus vorangegangenen Spezifikationen noch die Übergabe der Ergebnisse an einen folgenden Prozess funktionieren.

Ein hybrides Vorgehen entbindet weder von der notwendigen Kenntnis der beteiligten Methoden noch von der ordentlichen und sauberen Umsetzung der tatsächlich genutzten Elemente.

Update am 14.02.2019: Frank Blome hat mich auf einen wichtigen Punkt hingewiesen: Ohne Werkzeuge funktioniert das Beschriebene nicht: Hybrides Vorgehen braucht passende Werkzeuge. Dem stimme ich ohne Einschränkung zu.

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