ein Einschub über
das „wie“ und „warum“ der Projekt – Forschung

Durch | 22. Oktober 2010

Die Kommentare im vorangegangenen Beitrag haben mich angeregt einige Gedanken zu Forschung, Studien und Statistiken zu formulieren. Beginnen möchte ich allerdings mit einem kurzen Rückblick. Vor einigen Jahren kam in einem Projektmanagement-Seminar an der Uni Mannheim die Diskussion über Erfolgsfaktoren in Projekten auf. Ich dozierte über mir bekannte Studien und berichtete von Erfahrungswerten – wirklich überzeugend waren diese Ausführungen jedoch nicht. Da in meinen PM-Seminaren immer auch ein reales Projekt durchgeführt wird, kam die Idee auf im Laufe des Seminars eine eigene Online-Befragung zu Erfahrungen in Projekten durchzuführen. Gesagt getan! Es wurde ein Fragebogen entwickelt, eine Software für die Online-Befragung adaptiert und eine Kommunikationskampagne aufgesetzt. Die Ergebnisse dieser Befragungen waren für die Teilnehmer des Seminars überraschend. Die geringe Erfolgsquote, der nicht nachweisbare Einfluss von schwergewichtigen Vorgehensmodellen und die starke Korrelation mit weichen Faktoren waren nicht erwartet worden ((Die Ergebnisse des ersten Durchlaufs wurden nicht veröffentlicht und sind nur in der Seminardokumentation enthalten. Ein verlängerter Lauf des damaligen Fragebogens inkl. der Ergebnisse haben wir hier zusammengefasst: Die Bilanz des Misserfolgs in IT-Projekten)). Das bringt mich zum ersten Punkt: In jeder Untersuchung ist implizit die Erwartungshaltung des/der Forschenden verborgen und manchmal werden die Erwartungen nicht erfüllt. Die Erwartungen spiegeln sich immer auch in den Forschungs-Fragen wider. Die Fragen einer Untersuchung oder ein experimenteller Aufbau in den Naturwissenschaften zielen letztendlich immer auf die Erwartungen – es kann oft nur das gefunden (gemessen) werden, wonach auch gesucht wurde. Seinerzeit hatten wir Zusammenhänge mit Vorgehensmodellen erwartet und die Fragen nach weichen Faktoren ergänzend hinzugenommen. Die Auswertung zeigte aber lediglich bei den weichen Faktoren eine Korrelation mit dem Projekterfolg, der Einsatz unterschiedlicher Vorgehensmodelle schien keinen Effekt zu haben. So kann es gehen.

Das Wörtchen „schien“ bringt mich zum zweiten Punkt: Ist in den Daten keine Korrelation sichtbar heißt das nicht, dass kein Zusammenhang vorhanden ist. Ist eine Korrelation vorhanden darf sie hingegen nicht sofort mit Kausalität gleichgesetzt werden. Das zeigte sich vermehrt in den folgenden Jahren als weitere Untersuchungen durchgeführt wurden. Größere Datenmengen und detailliertere Aufschlüsselungen nach Projekt- und Teamgrößen zeigten z.B. dass die Korrelation der weichen Faktoren (z.B. Teamqualität) in Projektteams mit einer Größe von 4 bis 8 Personen am stärksten ist ((veröffentlicht in Objektspektrum 02/2010 Downloadlink PDF am Ende des Beitrag: Warum Projektteams erfolgreicher sind als Projektgruppen.)). Bei anderen Teamgrößen sind ggf. die Korrelationen mit anderen Faktoren (Vorgehensmodelle, Methoden, Werkzeuge) stärker. Hieraus folgt der dritte Punkt: Jede Auswertung liefert neue Fragen für die nächste Untersuchungsrunde. Neue Fragen werden formuliert, alte überarbeitet.

Und warum das Ganze? Vor einiger Zeit schrieb ich folgende Sätze:

Erfahrung ist verstandene Wahrnehmung … Wenn ich meine „Erfahrungen” aus 20 Jahren Projektgeschäft Revue passieren lasse bemerke ich, dass ich immer wieder der Versuchung erlegen bin bereits meine Wahrnehmung als Erfahrung anzusehen. Der Versuch gute Wahrnehmungen im nächsten Projekt zu wiederholen mag ein paar Mal gelingen, irgendwann kommt aber ein Projekt in dem alles anders ist. Die bisherigen guten Wahrnehmungen, Ansätze und Methoden werden dann plötzlich kontraproduktiv.

Mit den wiederkehrenden und verfeinerten Untersuchungen versuche ich also meine Wahrnehmungen zu überprüfen. Zum Anderen macht mir Forschung und Lehre Spaß ((Entgegen anderlautenden Gerüchten gibt es Lehrende, die mit Spaß und Freude dabei sind.)). In regelmäßigen Abständen betreue ich Abschlussarbeiten, die Teile oder ganze Untersuchungen beisteuern ((z.B. Diplomarbeit Uni Magdeburg, Downloadlink am Ende des Beitrag Echte Teams liefern erfolgreiche Projekte ab.)).

Zum Schluss möchte ich die gerade laufende Untersuchung aus der ich schon einige vorsichtige Einblicke in Zwischenergebnisse gegeben habe noch etwas transparenter machen. Meine aktuellen Hypothesen ((Hypothese ist die wissenschaftlich vornehme Formulierung des einfachen Wortes Erwartung.)) sind die folgenden:

  • In kleinen Projekten ist die Klärung der Ziele der wichtigste Erfolgsfaktor.
  • In mittleren Projekten d.h. 4 bis 8 Personen im Kernteam
    sind gruppendynamische, soziale Faktoren bestimmend.
  • Erst in großen Projekten werden Vorgehensmodelle zum wichtigen Erfolgsfaktor.
  • Agile Methoden und Teamqualität stehen in unmittelbarer Wechselwirkung.
  • Methoden und Werkzeuge können
    bei Einsatz im ungünstigen Kontext mehr schaden als nützen.

Wenn an diesen Hypothesen etwas dran ist, müssten sich bestimmte Korrelationen zwischen den genannten Faktoren und dem Projekterfolg (aufgeschlüsselt nach Projektgröße) zeigen. Im Umkehrschluss sollten andere Korrelationen nicht vorhanden sein. Diese Gegenprobe (z.B. Erfolg großer Projekte korreliert nicht mit den weichen Faktoren) ist wichtig, jede (Hypo)these muss einen positiven als auch einen negativen Befund vorhersagen. Wie die Ergebnisse letztendlich zu interpretieren und in Handlungsansätze umzusetzen sind, steht dann auf einem anderen Blatt. Genauer bedacht wird ein Blatt wahrscheinlich nicht reichen ;-).

Zum Schluss möchte ich mich noch bei Allen bedanken, die bis hierher durchgehalten haben, und gelobe Besserung, dass die nächsten Beiträge wieder kürzer oder unterhaltsamer werden.