Manchmal ist es nicht leicht mit den Aliens aus der anderen Abteilung zusammenzuarbeiten. Ich bin froh, wenn das Projekt vorüber ist und ich mit den Kollegen nichts mehr zu tun habe. Solche und ähnliche Sätze werden in manchen Projekten zwar nicht ausgesprochen aber doch leise gedacht. Das können die Kreativen aus dem Marketing sein, die nicht mit den Technik-Geeks aus der IT-Abteilung können. Die IT-Menschen können nicht nicht mit denen aus dem Vertrieb und zu guter Letzt sind sich die IT-Menschen untereinander auch nicht immer einig. Hinter diesen Beobachtungen steckt wesentlich mehr als die häufig kolportierten Vorurteile wie z.B. „Techniker haben ein Defizit an Kommunikationsfähigkeiten“ oder „Kreative können nicht diszipliniert arbeiten“. Hier möchte ich heute ein wenig hinter die Kulissen schauen.
Die Entwicklung einer Gruppe läuft in Phasen. In der Entstehungs-Phase wird z.B. die Zugehörigkeit zur Gruppe geklärt. In weiteren Phasen – siehe Bild – werden die Regeln der Zusammenarbeit geklärt. In Abhängigkeit vom konstruktiven Verlauf dieser Phasen entwickelt sich die Gruppe zum leistungsfähigen Team, verbleibt im Zustand einer halbwegs arbeitsfähigen Gruppe oder verändert sich mit fatalen Folgen für das Projekt zum zerstrittenen, arbeitsunfähigen Haufen.
In Projektteams wird es wie in jeder Gruppe zu Rollenkonflikten kommen. Das ist ein unvermeidlicher Vorgang. Jede Gruppe muss zu ihrer eigenen Hackordnung oder etwas vornehmer formuliert zu einer stabilen Rollenverteilung kommen. Manche Rollen wie die des Projektleiters sind gewissermaßen vorbesetzt, andere sind offen. Auch wenn die Rolle des Projektleiters vorbesetzt ist, so wird sie hinterfragt werden und es muss sich noch erweisen ob er sich tatsächlich als der „Leiter und Entscheider“ erweist. In gewisser Weise findet in jeder Gruppen eine gewisse Rangelei um die Führungsposition statt. Es gibt aber nicht nur Führungsrollen zu besetzen, es gibt weitere Gruppenrollen, die besetzt werden müssen: Spaßmacher, Konfliktlöser, Problemlöser, Arbeiter, Spezialist, Ideengeber und weitere. Wer welche Rolle besetzen wird, hängt von den individuellen Eigenschaften der Teammember und von der Zusammensetzung des Teams ab. All diese Rollen-Besetzungen werden mehr oder weniger offen, konstruktiv oder agressiv verhandelt. Werden die Rollen zügig verteilt und erweist sich die Verteilung als stabil ist ein wichtiger Schritt für das Projekt getan. In vielen Projekten ist jedoch das Gegenteil der Fall: das Hinterfragen und Streiten dauert das ganze Projekt an und am Ende sind alle froh, dass das Projekt vorbei ist. Das Projekt hat das Budget überzogen und die üblichen Vorurteile über die anderen sind mal wieder bestätigt. Woran liegt das?
Konflikt der Subkulturen
Zur Definition einer Kultur möchte ich auf diesen Beitrag hinweisen. Zusammengefasst ist eine Kultur ein System von Konzepten, die sich mit folgenden immer tiefer gehenden Begriffen benennen lassen: Symbole, Rituale, Helden, Normen sowie Grundannahmen.Es handelt sich um einen Kulturkonflikt. Die Zugehörigkeit zu einer anderen Kultur erschwert die gruppeninterne Rollenklärung erheblich. Das beginnt bei den oberflächlichen Merkmalen wie der Kleidung. Die Spanne reicht vom Stöckelschuh der Geschäftsführungs-Assistentin bis zu den Sandalen des Software-Entwicklers. Vom Business-Anzug des SAP Spezialisten bis zum Karo-Hemd des Datenbankadministrators. Unwichtige Äußerlichkeiten? Keineswegs! Wenn jemand zu einem Termin in einer – in meinen Augen – unangemessenen Kleidung erscheint, werde ich ohne es zu wollen schon ein wenig voreingenommen sein d.h. die Saat des Missverständnisses ist schon gelegt. Es geht weiter mit Sprache, Begüßungsritualen, Witzen. Was die einen lachend auf dem Boden kugeln lässt – *rofl – lässt die anderen nur säuerlich lächeln. Zurück zur Rollenklärung in der Gruppe: In jeder Gruppe gibt es einen „Spaßmacher“ eine Person, die für die gute Laune sorgt. Es lässt sich jetzt schon erahnen, dass die Besetzung der Spaßmacher-Rolle in einer Gruppe, die sich aus unterschiedlichen Kulturen zusammensetzt, schwierig werden kann. Die humorvollen, lockeren Kreativen auf der einen, die bierernsten SAP-Spezialisten auf der anderen Seite. Dazwischen der respektlose Karo-Hemd tragende Datenbank-Administrator, der sich über alle lustig macht. Das wäre jetzt ein erster Blik auf die oberflächlichen und offensichtlichen kulturellen Differenzen.
Die Spitze des Eisberges
„Meritokratie“ geht auf den Soziologen Michael Young zurück. In einer Meritokratie werden Herrscher aufgrund ihrer Leistung ausgewählt. Bei IT-Spezialisten ist eine meritokratische Grundhaltung häufig anzutreffen. Der Senior-Entwickler mit großer Erfahrung hat mehr Einfluss und Macht als der Junior-Entwickler.Wie bei einem Eisberg liegt auch bei Kulturkonflikten der größte Teil unter der Oberfläche. Die tiefer liegenden kulturellen Differenzen haben schwerwiegendere Auswirkungen auf die Rollenklärung im Team. Die Normen und Grundannahmen bzgl. Führung und Loyalität unterscheiden sich in den genannten Subkulturen erheblich. Die Subkultur der IT-Spezialisten huldigt oft einem ausgeprägten meritokratischen Führungsprinzip. Dies wird z.B auch in den Visitenkarten Zusätzen wie „Senior-Entwickler“ oder „Junior-Entwickler“ deutlich. Andere Abteilungs-Subkulturen der gleichen Firma legen hingegen mehr Wert auf die hierarchische Stellung im Gesamtorganigramm. Die möglicherweise stattfindende Machtprobe mit dem gesetzten Projektleiter erfolgt also unter völlig anderen Vorzeichen je nach dem aus welcher Subkultur der „Fragende“ stammt. Unter diesem Blickwinkel betrachtet bekommt z.B. die oft zu hörende Frage „Welche Erfahrung haben Sie?“ ein ganz neues Gewicht.
und wie geht es weiter
In weiteren Beiträgen werde ich das Thema „Subkultur und Rollenkonflikt“ weiter vertiefen. Der nächste Beitrag wird der Beschreibung konkreter und wichtiger Subkulturen (Kreativ, Technik, SAP, Verwaltung) gewidmet sein. Im dritten Teil wird es dann um konkrete Lösungsansätze für das Management derart „interkultureller Projekte“ gehen.
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