Die Kulturzwiebel

Durch | 21. September 2009

Es ist oft von Projekt-, Firmen-, und Teamkulturen die Rede. Am Anfang steht die Frage „Was ist (eine) Kultur? Eine sehr allgemein gehaltene Definition ist die folgende ((G. Maletzke. Interkulturelle Kommunikation. Stuttgart 1996: WDV, S. 16)):

Kultur ist „im wesentlichen zu verstehen als ein System von Konzepten, Ãœberzeugungen, Einstellungen, Werteorientierungen, die sowohl im Verhalten und Handeln der Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden.

Dieses System von Konzepten, Ãœberzeugungen usw. lässt sich mit der so genannten Kulturzwiebel veranschaulichen. Eine Zwiebel besteht aus verschiedenen Schichten und je tiefer man schneidet desto schmerzhafter wird es für die tränenden Augen. Die verschiedenen Schichten werden den Begriffen „Symbole“, „Helden“, „Rituale“, „Normen“ sowie „Grundannahmen“ zugeordnet:

Kulturzwiebel

Zu den Symbolen zählen z.B. Nationalfarben, Kleidung oder einzelne Merkmale einer Kleidung. So ist es in Deutschland für Männer üblich im Büro lange Hosen zu tragen. Der plakative Begriff der Helden lässt dann schon tiefer blicken. In den USA ist Bill Gates, trotz aller Scherze über seine Produkte ein Held, eine Ikone des „american dream“, Linus Torvald hingegen ist ein Antiheld, andernorts wird diese Einschätzung nicht geteilt. Das erste Konfliktpotenzial wird sichtbar: In einem internationalen Team sollte man sich vorher überlegen ob man „Microsoft-Witze“ erzählt oder sich hinterher nicht wundern warum nicht alle in gleicher Weise über den Witz lachen. Hinter den Ritualen verbergen sich Begrüßungen, Höflichkeitsformen, Verbeugungen, Körpersprache, Gebete, Essensgewohnheiten, Zeiteinteilungen usw.: Kopfschütteln bedeutet nicht immer eine Verneinung, genauso wenig wie ein Lächeln Zustimmung bedeuten muss. Die klassischen Beispiele für interkulturelle Differenzen und Konflikte können meist diesen ersten drei Schichten zugeordnet werden.

Für die Projektarbeit kommen auf den nächsten Ebenen weitere Schwierigkeiten hinzu. Hinter den Normen bzw. Werten steckt unter anderem das Verständnis von Führung, Hierarchie oder die Einstellung zum Umgang mit Fehlern. Der offene Umgang mit Fehlern ist nie leicht, in manchen Kulturen jedoch fast unmöglich. Hinter dem „Verschweigen“ eines Fehlers steckt ggf. eine tiefsitzende Angst vor Ehrverlust. Entsprechned groß ist die Gefahr, dass das „Verschweigen“ fälschlicherweise als Verweigerung interpretiert wird. Hinter den Grundannahmen verstecken sich grundlegende Konzepte des Zusammenlebens. In den jeweiligen Bedeutungen spiegeln sich Staatsform, Religion und Geschichte wider. Was hat das mit Projekten zu tun? Unter Umständen sehr viel! Das Grundverständnis dessen was ein Team ist und wie man sich in einem Team zu verhalten hat hängt von diesen Grundannahmen ab. Diese Differenzen sind kein globales Phänomen. Bereits innerhalb von Deutschland gibt es hier erhebliche Unterschiede.

Das Zusammenspiel dieser fünf Faktoren macht eine Kultur aus. Prinzipiell kann jede Gruppe unabhängig von ihrer Größe ein eigenes System also eine eigene (Sub)Kultur entwickeln. Das oben genannte Beispiel „Symbol der langen Hose“ lässt sich noch verfeinern: Trotz der kulturellen Gemeinsamkeit der langen Hose kann die Wahl des Hemdes bereits von der Zugehörigkeit zu einer (Sub)Kulturgruppe abhängen: Software-Entwickler tragen in der Regel andere Hemden als die Kollegen aus der Vertriebsabteilung. Dieses Beispiel hat zwar einen anekdotischen Charakter zeigt aber eine wichtige Randbedingung auf. Die Kultur einer Untergruppe leitet sich aus der Kultur der übergeordneten bzw. größeren Gruppe ab – manche Gemeinsamkeiten bleiben, gleichzeitig sich prägen sich Unterschiede aus.

Dieser Text ist unter Creative Commons BY NC ND (Namensnennung – Nicht Kommerziell-Keine Bearbeitung) lizenziert. Er ist Teil des Buchprojekts „Menschen im Projekt“.

7 Gedanken an “Die Kulturzwiebel

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  5. Dr. Eberhard Huber Beitragsautor

    @antiferengi … zuerst mal willkommen in dieser Hütte 😉 Vielen Dank für die lehrreichen Beispiele. Durch mehr Achtsamkeit auf diese Themen ließen sich schon viele Missverständnisse vermeiden. Wenn Du erlaubst würde ich Deine Beispiele in einem Folgebeitrag zitieren, in dem es um den Mechanismus der Missverständnisse geht.

  6. antiferengi

    Betreffs der Rituale möchte ich zwei Beispiele für zwei unterschiedliche Kulturzwiebeln anbringen.

    I.d.R. wird in asiatischen Kulturen der europäische Händedruck, als auch der direkte Augenkontakt als offener Angriff empfunden. Interessanterweise beweisen bes. die chinesischen Unternehmer hier ein weitaus größeres Verständnis für andere Kulturen als europäische oder amerikanische, – indem sie ihre reisenden Verbindungsleute i.d.R. darauf vorbereiten und entsprechend schulen. Schon aus Gründen der Völkerverständigung wäre dies bei uns durchaus ebenfalls wünschenswert, anstatt die eigenen Begrüßungsformeln automatisch zum weltweiten Status-Quo zu erklären.
    Die für uns oft demütig wirkende Haltung bei Asiaten ist lediglich eine einseitige Interpretation unserer eigenen lebenslang gewohnten Körpersprache. Eine gleichwertige Begrüßung mit den Ritualen des anderen kann hier wahrhaft Eis brechen.
    (Außerdem sollte man niemals versuchen einen chinesischen Partner unter den Tisch zu trinken. Gibt er vorher auf, – verliert er das Gesicht.)

    Eine andere Geschichte ist es wenn interessierte Kunden aus bestimmten Landstrichen Indiens nach Deutschland kommen, und eine Frau holt dieselben vom Flugplatz ab. Diesbezüglich liegt es am Charakter des Unternehmens selber zu entscheiden was ihm wichtiger ist. Ein mögliches Geschäft, oder kompromisslose Anerkennung der Gleichberechtigung der Frau. Gerade was den letzten Fall betrifft, habe ich einige Menschen beträchtlich ins Schwitzen kommen sehen.

    Der Hobbykoch empfiehlt das man niemals Pilze mit Zwiebeln zusammen in einer Pfanne erhitzen soll. (Obwohl,- eine Lösung bietet das auch nicht 😉

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