Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade „Digitales Managen“ die von Jan A. Poczynek ins Leben gerufen wurde teil.
Die Kernfragen der Blogparade beziehen sich zwar auf den Einsatz von Web 2.0 in Unternehmen. Da moderne Unternehmen ohne Projektarbeit oder gar Projektorganisation nicht auskommen, lohnt sich vielleicht doch der Blick auf den Einzelaspekt Web 2.0 Werkzeuge in Projekten. Angesichts des Hype um Web 2.0 Werkzeuge sollte man annehmen, dass sie im Projektgeschäft weit verbreitet sind. Manchmal drängt sich mir jedoch der kritische Gedanke auf, dass diejenigen, die Web 2.0 einsetzen auch darüber reden und den verbalen Hype verstärken wohingegen viele das Thema ignorieren und weiter arbeiten wie bisher.
Dieser gefühlte Zweifel am Verbreitungsgrad von Web 2.0 scheint sich beim Blick auf konkrete Projekte zu bestätigen. Nebenstehende Grafik zeigt wie oft Web 2.0 Werkzeuge in Projekten als Werkzeug eingesetzt werden. Die Projekte wurden im Jahr 2009 durchgeführt, die Anteile könnten ggf. dieses Jahr etwas höher sein, eine gewisse Ernüchterung macht sich aber dennoch breit. Konkret benennbare Social Media Dienste oder Miccroblogging liegen bei 2%, Selbst der 2.0 Klassiker Blog liegt nur bei 6%, „Wiki“ das Urgestein des Web 1+X liegt immerhin schon bei 23%. Diese Zahlen überraschen auch deshalb, weil der Fragebogen mit dem sie erhoben wurden ausschließlich auf Web 2.0 Kanälen kommuniziert wurde, die Teilnehmer an der Umfrage also Web 2.0 Nutzer sind. Eine tiefergehende Untersuchung zu diesem Thema, die Ende des Jahres veröffentlicht wird, bestätigt dieses Ergebnis jedoch ((Stefan Panek, Einsatz von Web 2.0 Werkzeugen in der Projektkommunikation, persönliche Mitteilung, September 2009)).
Ich halte also den etwas provokativ formulierten Satz als Zwischenergebnis fest. „Über Web 2.0 Werkzeuge wird zwar viel geredet, sie werden aber (bis jetzt) nur sparsam eingesetzt“. Diese Sparsamkeit wird noch deutlicher, wenn man die Zahlen zum Einsatz von E-Mail (> 90%) und face-to-face Kommunikationswerkzeugen zusätzlich betrachtet. Selbst Chat Systeme, die wahrlich keinen guten Ruf in den IT-Abteilungen der Unternehmen haben werden sehr viel häufiger eingesetzt als Web 2.0 Werkzeuge. Woran liegt es? Ich stelle eine provokative These auf:
Die Zeit ist noch nicht reif!
Web 2.0 bedeutet im wesentlichen Interaktion. Kontextbezogene Netzwerke sollen idealerweise hierarchisch gegliederte Informationslandschaften ersetzten. Eine Interaktion im Facebook-Style durch Drücken eines „Gefällt mir“ Links hilft hier nicht weiter. Eine Wiedergabe und Bearbeitung vorhandender Information hilft ebenfalls nicht weiter. In Projekten und im Unternehmen 2.0 kommt es darauf an, dass alle ihr Wissen preis geben. Diese Möglichkeiten bieten die modernen Werkzeuge im Überfluss. Wollen die Menschen aber ihr Wissen wirklich preis geben, wollen sie das Risiko eingehen Wissen „aufzugeben“. Dem steht zu oft die Erfahrung entgegen, dass Wissen und Information als Macht- und Steuerungsinstrument gebraucht und missbraucht werden.
Der zögerliche Einsatz von Web 2.0 Werkzeugen spiegelt meines Erachtens den zögerlichen Umbau von hierarchischen, Konkurrenz-orientierten Strukturen zu kooperativen Strukturen wieder. Ein Unternehmen, das in hierarchischen Kontrollstrukturen verhaftet ist, wird durch Web 2.0 nicht automatisch zu einem 2.0 Unternehmen.
Halo Gebhard,
danke für Deinen ausführlichen Kommentar. Du gehst mit dem Satz
in gewisser Weise noch einen Schritt weiter in der Analyse als ich.
Ob das in Vertrieb und Marketing wirklich schon anders aussieht ist eine spannende Frage. Ich persönlich bezweifle das allerdings. Web 2.0 hat immer etwas mit Interaktion und Kommunikation zu tun. Ein twitter Interface macht noch keine Kommunikationsbereitschaft – die Frage ist wie wird mit der Rückmeldung, die über den Web 2.0 Kanal reinkommt umgegangen führt wieder zur Kultur 😉
viele Grüße Eberhard
Hallo Eberhard,
ich kann die beschriebenen gefühlten Zweifel an einem allgemeinen 2.0 Hype mit einer aktuellen Erfahrung unterstreichen.
Wir werben aktuell für ein Online-Voting, dass uns einen Vortrag auf der Utopia Konferenz im Oktober in Berlin ermöglichen soll. Zur Unterstützung haben wir zuerst maßgeblich in der Web 2.0 Welt aufgerufen nur einer von uns, der gerade unterwegs war, hat es via Mail gemacht. Das Resultat ist, dass wir viel mehr Stimmen und Rückmeldungen über den Mail-Kanal (später ergänzt durch Newsletter – auch mail) erhalten haben, als durch die Web 2.0 Kanäle, die ja viel mehr Menschen erreichen sollen.
Deine These:
würde ich mit einer vielleicht noch provokanteren These erweitern:
Die Werkzeuge sind noch nicht reif
In meinem Umfeld werden Web 2.0 Tools maßgeblich für Klatsch, Tratsch und die dynamische Aktualisierung der Kontaktdaten genutzt. Intensive Nutzer sind häufig Menschen, die nicht mehr dort wohnen, wo sie aufgewachsen sind und Kontakt halten wollen zu ihrem alten Bekanntenkreis oder viel in der Welt unterwegs sind und an verschiedenen Orten Bekanntschaften und Freundschaften haben. Auch hier geht es im Kern allerdings um Klatsch und Tratsch, so wie man früher ab und an mal telefoniert hat, wird jetzt eben multimedial in Facebook getratscht. Auch Exhibitionismus mag eine Rolle spielen und die Suche von Minderheiten nach Gleichgesinnten – etwa Modelleisenbahn-Freaks. Für dieses Tratschen sind die Werkzeuge auch wunderbar, doch für handeln in Unternehmen, das Aufbereiten von Informationen zur guten Information von Kollegen oder gar eine sinnvolle Abstimmung einer Entscheidung, die dann auch Konsequenzen im unternehmerischen Handeln hat?
Wer einen Blog betreibt, weiß wie lange es dauert einen guten Blogbeitrag aufzubereiten und wie viel Ãœbung es braucht, kurz, prägnant und dennoch umfassend die eigenen Gedanken auf den Punkt zu bringen. Dann noch passende Bildchen, die Verweise auf die Quellen und weiterführende Infos usw. usw. Die selben Schwierigkeiten hat man bei einem „unternehmerisch sinnhaften“ Facebookeintrag oder YouTube-Filmchen oder auch nur einer SlideShare-Präsentation.
Da ist es schlicht einfacher und angebrachter erst einmal zu telefonieren, zu chatten oder auch zu mailen. Denn hier habe ich immer noch die Kontrolle darüber, wer meine Information konsumiert! Und das ist jetzt gar nicht negativ gemeint, im Sinne von Information zurück zu behalten oder zu beschränken. Der Qualitätsanspruch an die Präsentation und Reife der Information ist dabei viel geringer – gerade im Bezug auf ein unternehmerisches Umfeld.
Ich denke Unternehmen sind noch lange nicht so weit – kulturell – mit dieser Minderqualität, Unvollendetheit und Fehlerbehaftetheit in den Informationen, auch und gerade im professionellen Bereich, umzugehen (dabei ist mir bewusst, dass die heute professionell erarbeitete Information inhaltlich qualitativ nicht unbedingt besser, allerdings von der Aufbereitung her doch sehr aufwändig ist).
Ich denke auch, die Tools sind nicht dafür gemacht, unternehmerisches Entscheiden und Handeln sinnvoll zu unterstützen. Es geht um Klatsch und Tratsch oder anders gesagt um Marketing und Vertrieb. Wenn man gezielt dort eine Umfrage machen würde – und nicht im PM – dann könnten die Ergebnisse, vermute ich, schon ganz anders aussehen 😉
Gruß Gebhard